Schubert, Franz

Arpeggione-Sonate

Rubrik: CDs
Verlag/Label: hANDm records hmr-02110118
erschienen in: das Orchester 07-08/2012 , Seite 77

Gekleidet in einen Biedermeier-Gehrock blickt uns Gregor Babica von den Booklet-Fotos entgegen, und in der Tat führen Teile des hier eingespielten Programms zurück in die Zeit Schuberts, in der es selbstverständlich war, musikalische Werke in bearbeiteter Form kennen zu lernen. In dieser Tradition stehen auch Babicas Arrangements Schubert’scher Lieder für Violoncello und Klavier, die einen Schwerpunkt dieser CD-Produktion bilden. Doch auch bei der titelgebenden Arpeggione-Sonate handelt es sich um eine Adaption: Zwar wird das Werk heutzutage gelegentlich wieder auf jenem kuriosen „Guitarre-Violoncello“, dem Schubert es auf den Leib geschrieben hat, dargeboten. Seit Langem jedoch ist die melodienselige Sonate fester Bestandteil des Cellorepertoires.
Ergänzt werden diese Werke durch zwei Schubert-Bearbeitungen, die von berühmten Cellisten stammen und infolgedessen dem Virtuosen „Zucker geben“: zum einen Gregor Piatigorskys Cello-Klavier-Version des ursprünglich vierhändigen Variationenwerks D 968a, zum anderen Bernhard Cossmanns Arrangement des Erlkönig für Cello solo. Eingebettet zwischen diese Ostentationen cellistischer Fingerfertigkeit hören wir Cellowerke von Anton Webern, einem großen Schubert-Verehrer, dessen Œuvre der frühromantischen Welt zwar weit entrückt scheint, mit der Musik Schuberts – ihren Brüchen ebenso wie der Idee des unaufhaltsamen Flusses – aber viele Berührungspunkte aufweist.
Ungeachtet ihrer gelungenen Konzeption macht die CD insgesamt nicht recht glücklich: Gregor Babica – der 1976 Geborene studierte in den USA und in Düsseldorf, wirkte einige Jahre als Orchestercellist und lebt heute als Solist und Kammermusiker in München – ist zweifellos ein guter, von Gestaltungswillen beseelter Cellist. Hinsichtlich seiner klanglichen Möglichkeiten und in punkto Intonationssicherheit kann man ihm indes keinen wirklichen Spitzenplatz einräumen. In der Mittellage und bei Akkorden knirscht es doch bisweilen, und im hohen Lagenbereich vermittelt sein Spiel nicht den Eindruck schlafwandlerischer Sicherheit. Diese Tendenzen werden möglicherweise verstärkt durch eine Aufnahmetechnik, die – Originalton Booklet – bestrebt ist, „instrumentspezifische Spielgeräusche nicht nur als natürliche Erscheinung in Kauf zu nehmen, sondern bewusst im Gesamtklang zu kultivieren“. Für die Aufnahme des Erlkönig-Höllentrips hat man einen deutlich halligeren Raum gewählt als für die übrigen Werke, was zur Folge hat, dass hier das eine oder andere kaschierende Mäntelchen um die fraglos enorm schwierigen Doppel- und Tripelgriffe flattert.
In Hannelott Weigelt, als Pädagogin an der Düsseldorfer Hochschule und Kammermusikpianistin seit Langem eine Institution, hat Babica eine sehr zuverlässige Klavierpartnerin. Gemischte Eindrücke nehmen wir mit aus der Lektüre des Booklets: Was beispielsweise ist der „reaktionäre Erzählfluss Weberns“? Und um Zwölftonmusik handelt es sich bei Weberns Cellostücken keineswegs.
Gerhard Anders

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