Paternoga, Sabrina
Arbeits- und Berufszufriedenheit im Orchestermusikerberuf
Eine empirische Untersuchung im Kontext arbeits-, freizeit- und persönlichkeits-psychologischer sowie musikmedizinischer Aspekte
Wie zufrieden sind Orchestermusiker mit ihrem Beruf? Eine Frage, die nicht einfach und auch nicht mit wenigen Sätzen zu beantworten ist und schon gar nicht ohne entsprechende Grundlagenforschung. Das auf einer Doktorarbeit beruhende Buch von Sabrina Paternoga gibt erstmals auf repräsentativer Basis von 467 Fragebögen aus 18 Orchestern umfassende Antworten zum Zustand der Arbeits- und Berufszufriedenheit der Mitglieder in deutschen Kulturorchestern. Einbezogen wurden auch die repräsentativen Mitgliederdatenbestände der Deutschen Orchestervereinigung.
Die Autorin befasst sich mit allen Aspekten, die für die Zufriedenheit im Orchestermusikerberuf von Belang sind, also u.a. den orchesterinternen Hierarchien, Mitbestimmungsgremien und -rechten, Aufstiegsmöglichkeiten, Verhältnis von Arbeits- und Freizeit, musikalischen Nebentätigkeiten sowie physischen und psychischen Belastungen. Auf der Grundlage anderer Studien werden insgesamt 66 Hypothesen aufgestellt, z.B. dass Musiker im Orchestervorstand hinsichtlich der Mitsprache in künstlerischen Angelegenheiten zufriedener seien als andere oder dass bei Musikern, die ein Blasinstrument spielen, die psychophysische Belastung höher sei als bei den Streichern.
Die Vielzahl der Hypothesen schlägt sich nieder in einem ausdifferenzierten Fragenkatalog und der darauf beruhenden umfassenden Auswertung der Antworten. Selten konnte man bislang so genau und so tief in die Seele deutscher Orchester und ihrer Mitglieder einsteigen. Gleichzeitig wird aber auch mit Klischees aufgeräumt. Beispiel Nebentätigkeiten: Zwar üben 84,8 Prozent aller Musiker mindestens eine Nebentätigkeit aus, mehrheitlich aber mit weniger als zwei oder zwei bis vier Stunden wöchentlich. Bei den Nebentätigkeiten spielt die Kammermusik vor den Aushilfen in anderen Orchestern die größte Rolle, während es sich finanziell allerdings genau andersherum verhält. Interessant auch, wo Orchestermusiker konkrete Verbesserungsvorschläge für ihr Berufsumfeld sehen: Die häufigste Nennung liegt bei einer berechenbaren und vernünftigen Arbeitszeitdisposition, gefolgt vom kollegialen Umfeld und der künstlerischen Leitung des Orchesters bzw. des Gesamtbetriebs.
Zusammenfassend kommt die Autorin zu dem Schluss, dass die deutschen Orchestermusiker trotz Strukturreformen, Problemen der Kulturfinanzierung und gestiegenem Leistungs- und Konkurrenzdruck überwiegend mit ihrer Arbeit (77,3 %) bzw. ihrem Beruf (85 %) als Ganzes zufrieden sind; lediglich 6 Prozent waren arbeitsunzufrieden bzw. berufsunzufrieden (15 %). Doch diese Minderheiten dürfen auch nicht vernachlässigt werden, da sie in ihrem (kollegialen) Umfeld natürlich auch aufgefangen und mitgetragen werden müssen.
Zahlreiche Tabellen, Grafiken und Diagramme sowie der Abdruck der ausgewerteten Fragebögen erleichtern das Verständnis der Untersuchungsergebnisse. Die übersichtliche Gliederung führt rasch zu den einzelnen Spezialfragen. Wer sich als ausübender Orchestermusiker, als Orchestervorstand, als Betriebs- oder Personalrat, aber auch auf Arbeitgeberseite mit dem Innenleben des Orchesters und dem Mikrokosmos seiner Mitglieder auseinander setzen will, wird das Buch mit Gewinn lesen und immer wieder Rückschlüsse auf sein persönliches berufliches Umfeld ziehen können.
Gerald Mertens