Thöne, Jost / Jan Röhrmann
Antonius Stradivarius
Großbild-Dokumentation in 4 Bänden
Es gibt kein wirkliches Stradivari-Geheimnis, stellt Jost Thöne in seinem Vorwort fest. Vergleiche von Maßen und Maßverhältnissen, Untersuchung der Hölzer, Lackanalysen, Aufzeichnung von Klangspektren führen zwar zu differenzierten und auswertbaren Ergebnissen. Sie bestätigen aber letztlich nur, dass die Konstruktions- und Formprinzipien Antonio Stradivaris ebenso wie die ästhetischen Qualitäten einen überzeitlich gültigen Maßstab darstellen unberührt vom Wechsel der Stilperioden und den damit verbundenen Veränderungen von Mensur und Saitenspannung.
Für die Bekräftigung dieses Vorbildcharakters der einzelnen Exemplare wie auch des Gesamtwerks spielt die Anschauung eine entscheidende Rolle. Klangliche Kriterien wie Brillanz, Volumen und Tragfähigkeit des Tons eignen sich nicht zur Identifikation. Sie kommen erst unter den Händen des Spielers zur Wirkung, als Resultat seiner Inspiration durch das Musikwerk und das Instrument. Selbst nach früheren Besitzern wie Kreisler oder Huberman benannte Instrumente können nicht aufgrund von deren Schallplattenaufnahmen spezifiziert werden, sondern nur durch die optisch erkennbaren Merkmale.
Noch niemals in der Geschichte war es möglich, eine so große Zahl von Strads (127 Geigen, 4 Bratschen, 17 Celli) unter so einheitlichen Voraussetzungen zu vergleichen wie in diesen gewichtigen vier Bänden. Das erfordert Vorkehrungen: zumindest eine gut ausgeleuchtete Tischplatte, besser ein Lesepult, das auch den ausklappbaren, 91 cm breiten Seiten Halt gibt, die z.B. einen Cello-Korpus in Originalgröße wiedergeben. Die superscharfen Digitalaufnahmen von Jan Röhrmann und die Heidelberger Drucktechnik, die selbst unter der Lupe keine einzelnen Rasterpunkte erkennen lässt, sind der Betrachtung eines Originalinstruments, die meist mit störenden Lichtreflexen verbunden ist, klar überlegen.
Wer den nicht geringen Kaufpreis bezahlt hat (zweifellos eine gute Geldanlage), kann sich auf ein Leben mit dieser beispiellosen Dokumentation freuen, deren Begleittexte das Schicksal jedes Instruments aufgrund namhafter Quellen wie Hill, Beare, Hamma oder Sacconi akribisch zurückverfolgen. Im ersten Band gibt der großangelegte Artikel von Florian Leonhard, Antonio Stradivari, His Work and Legacy, Einblick in die vier Schaffensperioden Amatisé, Long Pattern, Golden Period und Late Period. Simon Morris von J & A Beare informiert kompetent über The Preservation of Antonio Stradivaris instruments. Ganz nah an das (vielleicht doch vorhandene) Geheimnis bringt uns Carlo Chiesa mit seinem Lebensbild Stradivaris und seiner Familienwerkstatt. Sogar persönliche Schicksalsschläge wie der frühe Tod (1727) des 1703 geborenen, hochbegabten Sohnes der zweiten Ehefrau Antonia, Giovanni Battista Martino, sind an den Instrumenten abzulesen.
Ein Jahrhundertwerk. Bei YouTube erfährt man unter dem Titel Stradivaribooks Trailer 2010 Interessantes über die bewundernswerte Arbeitsleistung der beiden Autoren. Die beigelegte CD kann als Klangbeispiel nicht überzeugen.
Reinhard Seiffert
Richtigstellung: In Ausgabe 6/11, S. 65, veröffentlichten wir eine Besprechung der vierbändigen Großbild-Dokumentation “Antonius Stradiuarius”. Autorin nahezu aller Texte dieser Publikation ist Alessandra Barabaschi was nur in einer kurzen Notiz am Ende von Band 4 Erwähnung findet. Der Rezensent hat Alessandra Barabaschi aus diesem Grund nicht erwähnt, sondern nur die übrigen Autoren dieser Publikation. Für dieses Versäumnis möchten wir uns bei der Autorin entschuldigen und drucken hier ihre Gegendarstellung ab.
Gegendarstellung: In der Buchbesprechung wird durch die Formulierung “Bei YouTube erfährt man unter dem Titel ‘Stradivaribooks Trailer 2010’ Interessantes über die bewundernswerte Arbeitsleistung der beiden Autoren” behauptet, dass die vier Bände der Dokumentation ausschließlich von Jost Thöne, Jan Röhrmann, Florian Leonhard, Simon Morris und Carlo Chiesa verfasst worden seien. Das ist unwahr. Richtig ist, dass Alessandra Barabaschi den überwiegenden Teil des Werks, nämlich 148 Texte zu allen Instrumenten, verfasst hat.