Rossini, Gioachino
Andantino et Allegro brillante
pour Harpe
Am 14. Mai 1832 verfasste Rossini in Bordeaux ein Manuskript in zwei Teilen: Eine Vertonung des von ihm favorisierten Metastasio-Textes Mi lagnerò tacendo, den er auch für zahlreiche Albumblätter nutzte, und ein Solostück für Harfe. Die Vokalkomposition ist einer ,Cécile gewidmet und datiert; an das Ende des Harfenstücks setzte Rossini seine Unterschrift: G. Rossini. So lautet die Einleitung zu einem unglaublich guten, informativen und fundierten Vorwort von Patricia Brauner zu diesem Solostück für Harfe von G. Rossini. Geschichte, Werkbeschreibung, Umfeld alles ist sehr gut beschrieben.
Jeder Harfenspieler kennt und fürchtet diese kleine wahrhaftige Kammermusikperle. Nicht umsonst taucht das Werk immer wieder in Wettbewerbsprogrammen auf. In der Regel wird dann die Ausgabe von Schott gespielt. Vergleicht man die beiden Editionen miteinander, so sind im Notentext wenig Unterschiede festzustellen bezüglich der Dynamik oder Phrasierungen. Auffallend ist jedoch der unterschiedliche Titel. Bei Schott heißt das Stück Sonata, bei Bärenreiter Andantino et Allegro brillante. Letzteres erscheint mir plausibler, da dieses Solo eben nur aus diesem Andantino (22 Takte) und dem anschließenden Allegro (64 Takte) besteht. Interessant ist übrigens, dass Rossini im schnellen Teil einen von seinen drei Militärmärschen verwendete, die er 1837 zur Hochzeit des Herzogs von Orléans zu Fontainebleau komponierte.
Das eineinhalbseitige Vorwort dieser Ausgabe erscheint in drei Sprachen: Englisch, Italienisch und Deutsch, ebenso eine Erklärung zur Edition. Hier frage ich mich aber nach dem inhaltlichen Sinn: Die meisten dort vorkommenden Erläuterungen zur Notation des Herausgebers betreffen nicht dieses Harfenstück, sondern sie beziehen sich allgemein auf Ausgaben von Rossinis Werken. Besonders fragwürdig ist der Absatz über das modernisierte Erscheinungsbild seiner Partituren. Da geht es um Triolen, Wiederholungen, leere Takte, Bratschenschreibweisen, ganze Pausen und so weiter. All das braucht der Harfenspieler nicht, um dieses kleine Werk zu verstehen und zu spielen.
Der vorliegende Notendruck ist sehr gut. Allerdings fehlen mir im Text zwei logischere Notationen: Zum einen gehört im vorletzten Takt des Andantino das As in das obere System, anders ist es auf der Harfe nicht zu spielen. Ebenso der Schlussakkord des Werks: Dort wird das G ebenfalls von der rechten Hand gespielt also warum die Notation im Bassschlüssel?
Wohlwollend schmunzelnd schlage ich nun die Notenausgabe von Bärenreiter zu und denke mir, bis auf das hervorragende Vorwort von Patricia Brauner würde es die Schott-Ausgabe dieses liebenswerten Rossini-Werks auch weiterhin tun.
Marion Hofmann