Rossini, Gioachino
Andante, e Tema con Variazioni
per Flauto, Clarinetti, Corno e Fagotto, hg. von Philip Gossett, Urtext, Partitur und Stimmen
In seinen Jugendjahren widmete sich Gioachino Rossini noch ausgiebig der Instrumentalmusik. Dabei entwickelte er eine Vorliebe für die Holzbläser, die zu einigen konzertanten Solo-Kompositionen und Kammermusikwerken führte. Für die hier gewählte Quartett-Besetzung die neue Gattung des Bläserquintetts musste erst noch etabliert werden ist nur das jetzt als Einzeldruck der Gesamtausgabe veröffentliche Werk Andante, e Tema con Variazioni eine originale Komposition. Die im Konzert manchmal zu hörenden Bläserquartette Rossinis sind Bearbeitungen der frühen Streichersonaten durch den Klarinettisten Frédèric Berr. Als sechstes Quartett hat er die vorliegende Komposition übernommen. Für die Urtext-Edition standen das originale Manuskript, das in der Bibliothèque nationale de France liegt, und eine weitere Kopie zur Verfügung.
Die Entstehungszeit ist nicht eindeutig geklärt, Rossini selbst hat das Quartett später einmal auf 1812 rückdatiert, was auf Grund der Quellenlage aber als nicht zutreffend angesehen wird. Dass es sich um ein Werk des noch in Bologna studierenden jungen Rossini handelt, ist offensichtlich.
Das formale Konzept könnte einfacher nicht sein: Ein Andante, das vom Wechselspiel der beteiligten Instrumente lebt, geht dem auf einem eigenen Thema basierenden Variationensatz mit fünf Variationen voraus. Die Variationen des schlichten, unbeschwert daherkommenden Themas geben jeweils einem Bläser Gelegenheit zur solistischen Präsentation, ganz zurückhaltend und unaufwendig von den anderen drei begleitet. Das Schematische der Komposition wird beim Übergang zur Coda etwas aufgebrochen.
Doch gar zu einfach macht Rossini es den Bläsern nicht, sie müssen schon eine Portion Geläufigkeit und Leichtigkeit im Ton mitbringen, um die Unbekümmertheit dieser Musik angemessen darzustellen. Dabei hat er eine Vorliebe für das Fagott, dessen Part dominanter als in manch anderen gleichartigen Werken ist. Vermutlich hat er dabei an seinen Fagott spielenden Jugendfreund Antonio Zoboli gedacht. Rossini setzt die Bläser ganz ihrer Art gemäß ein; ein Beweis dafür, dass er sein kompositorisches Handwerk gut gelernt hat.
Für Bläserquartette lohnt sich der Blick in den sehr sorgfältig edierten Urtext, der selbst Rossinis eigenwillige Schreibung von Dynamik- und Akzentzeichen berücksichtigt, da es gegenüber den gängigen Ausgaben doch einige entscheidende Veränderungen gibt, die einige melodische Wendungen wie auch die Artikulation betreffen. Interessant ist auch, dass der Urtext keine Wiederholung des ersten Themenabschnitts angibt, stattdessen wird nur der zweite Teil wiederholt.
Eine kleine Erschwernis für die Aufführung des Quartetts ist die originale Besetzung mit einer C-Klarinette. Es hätte nichts geschadet, wenn der Stimmensatz zusätzlich eine transponierte Stimme für die gebräuchlichere B-Klarinette enthalten hätte.
Heribert Haase