American Music for Cello
Ein Cello schwebt über dem Wasser. Das ist nicht die einzige Besonderheit auf dem Cover der CD “American Music for Cello”. Auch beim Instrument selbst fallen Eigentümlichkeiten auf die dunkle, fast schwarze Farbe, die schmalere Taille und die stärkeren Rundungen des Resonanzkörpers. Blättert man im Booklet, so erkennt man auf einem weiteren Foto die Schraffierung der Decke.
Das Cello des Amerikaners Luis Leguia ist nicht aus Holz, sondern aus Kohlenstofffaser. Auf diese Idee kam der Casals-Schüler beim Segeln. Da die meisten Segelboote heutzutage aus der leichten, belastbaren Karbonfaser gemacht werden und nicht wie früher aus Holz, schien dem Cellisten die Übertragung dieser industriellen Entwicklung auf Streichinstrumente einen Versuch wert. Zusammen mit dem Bootsbauer Steve Clark entwarf er in verschiedenen Schritten das so genannte Luis & Clark Carbon Fiber Cello (inzwischen gibt es einen kompletten Streichersatz) und schwärmt von der enormen Kraft, der Klangqualität und dem strahlenden Ton des Instruments.
Bis auf Robert Evetts Cellokonzert wurden alle Werke dieser CD von Luis Leguia auf dem Kohlenstofffaser-Cello gespielt. Bei Walter Pistons düsteren, 1968 entstandenen Variationen für Violoncello und Orchester (Ersteinspielung) setzt sich das Instrument gut gegenüber den clusterartigen Klängen der Streicher durch. Es dominiert das University-of-Texas-Orchester bei dieser Erstaufnahme mit seiner durchdringenden, phasenweise auch aufdringlichen Höhe. Im Forte wird der Ton schneidend, warme Obertöne sind kaum zu hören. Laut ist es fast immer, was im Spiel mit Orchester ja auch durchaus vorteilhaft sein kann. Spätestens beim Duo for Cello and Piano (1951) von Piston-Schüler Arthur Berger fallen die negativen Klangeigenschaften des Instruments noch stärker ins Gewicht.
Kammermusikalische Intimität ist damit zumindest im Spiel von Luis Leguia nicht zu erzielen. Und da auch seine Intonation immer wieder problematisch ist, entfaltet das Werk kaum Reiz, auch wenn Robert Freeman am Klavier zeigt, welche Farben man aus diesem Stück herausholen könnte. Ähnlich verhält es sich bei den an die Kammermusik des jungen Brahms erinnernden drei Stücken von Arthur Foote (1853-1937). Das Cello beherrscht das Klavier in jedem Takt. Artikulatorische Ungenauigkeiten, intonatorische Aussetzer und der eindimensionale Celloklang des Amerikaners verbinden sich zu einer einzigen Enttäuschung. Die A-Saite beim Allegro con fuoco ist penetrant scharf, die D-Saite dagegen erstaunlich dumpf.
Diese Produktion hat höchstens dokumentarischen Wert, da ein zweites Werk von Walter Piston (Duo for Cello and Piano) und das abschließende Cellokonzert von Robert Evett erstmals auf CD vorliegen. Bei diesem Mitschnitt der Uraufführung von 1971 spielt Leguia noch sein Guarneri-Cello. Und trotz der schlechten Aufnahmequalität und des dumpfen Klangbilds kann man hören, dass das Guarneri dem Kohlenwasserstoff-Instrument in Sachen Differenzierung und Klangfarben weit überlegen ist.
Georg Rudiger