Funke, Klaus

Am Ende war alles Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Faber & Faber, Leipzig 2005
erschienen in: das Orchester 10/2005 , Seite 76

„Am frühen Abend eines milden Oktobertages des Jahres 1873 fuhr eine dunkle Droschke, aus Dresden kommend, zum Anlegesteg der Elbefähre Blasewitz, einem kleinen Vorort der Residenzstadt, und hielt unter Schnauben der erhitzten Pferde und den ,Brrr‘-Rufen des Kutschers dort an.“ Der Beginn der Clara-Schumann-Novelle Abschied am Fluss von Klaus Funke versetzt die Leser mit ihrem an Eduard Mörike gemahnenden Stil in eine vergangene Zeit. Liebevoll und detailverliebt beschreibt Funke den letzten Besuch Clara Schumanns bei ihrem sterbenden Vater Friedrich Wieck. In Rückblenden, Gedankenfantasien des altersverwirrten Vaters und wenigen Gesprächen entfaltet Funke das schwierige Verhältnis zwischen ehrgeizigem Vater und genialer Tochter, die selbst im Angesicht des Todes nur mühsam zueinander finden.
Im gleichen Stil ist auch die zweite und längere, titelgebende Novelle Am Ende war alles Musik über Johannes Brahms gehalten. Stimmungsvoll beschreibt Funke Brahms’ Aufenthalt in Mürzzuschlag im Jahr 1884, den Beginn seiner Arbeit an der vierten Sinfonie und das kurze Zusammentreffen mit der von ihm so verehrten Clara Schumann.
Literatur muss keiner historischen Wahrheit verpflichtet sein, doch hat der Autor zahlreiche verbürgte Details in seiner Novelle verarbeitet: die unglückliche Begegnung mit dem Heimatdichter Peter Rosegger etwa, der in seiner Schusseligkeit Brahms nicht erkannte und die peinliche Geschichte selbst in seiner Erzählung Ein fremder Herr augenzwinkernd aufgriff.
Diese Erzählung und zahllose andere Details aus Brahms’ Leben sind Klaus Funke ohne Zweifel bekannt und werden von ihm elegant in seine Erzählung eingebaut. Dennoch verläuft gerade die zweite Novelle über manche Strecken etwas ereignisarm. Lange, zu lange wird das entscheidende Zusammentreffen mit Clara Schumann vorbereitet, in dessen Verlauf Brahms endgültig erkennt, dass er die von ihm Geliebte nie wieder wird enger an sich binden können.
Klaus Funke (Jahrgang 1947) lebt als Erzähler und Hörfunkautor in Dresden. Im Jahr 2004 veröffentlichte er seine Novelle Kammermusik, deren Sprache und Form ebenfalls frappierend an ein großes Vorbild erinnert, in diesem Fall an Thomas Bernhard. Funke entpuppt sich damit als ambitionierter Stilkopist, der Vorgefundenes handwerklich gekonnt in literarische Form bringt. Das Ergebnis liest sich jeweils gut und mit hohem Unterhaltungswert. Doch mangelt es den Erzählungen letztendlich an einem eigenen Ton, der sie über hervorragend gemachte Unterhaltungsliteratur hinaushöbe und zu unverwechselbaren Werken werden ließe.
Rüdiger Behschnitt