Strauss, Richard / György Ligeti / Wolfgang Amadeus Mozart

Also sprach Zarathustra / Atmosphères / Sinfonie C-Dur “Jupiter-Sinfonie”

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Dreyer Gaido 21029
erschienen in: das Orchester 03/2007 , Seite 87

Ungewöhnlich ist die Werkzusammenstellung auf der vorliegenden CD: Sie ähnelt einem Konzertprogramm, mit dem ein Orchester und sein Dirigent zeigen wollen, welche Bandbreite des Repertoires quer über die musikalischen Epochen hinweg sie zu interpretieren wissen. Die Stuttgarter Philharmoniker unter ihrem seit 2004 amtierenden Chefdirigenten Gabriel Feltz nehmen diese Herausforderung an und zeigen sich stilistisch wendig. Von der Wiener Klassik in Gestalt der „Jupiter“-Sinfonie Mozarts über Richard Strauss’ spätromantisch-üppige Tondichtung Also sprach Zarathustra bewegt sich ihre Einspielung hin zu einem Hauptwerk des Sonorismus der 1960er Jahre: zu György Ligetis 1961 in Donaueschingen uraufgeführten Atmosphères.
Ihre individuelle Kontur erhalten die drei genannten Werke, indem sich Feltz und die Stuttgarter Philharmoniker ganz gezielt auf die jeweiligen zeittypischen Klangvorstellungen einlassen. Bei Mozart erlebt man eine Annäherung an die historische Aufführungspraxis, die längst kein Alleinbesitz spezialisierter Ensembles mehr ist, sondern ihre Spuren auch in der allgemeinen Orchesterpraxis hinterlassen hat. Gabriel Feltz lässt Mozarts „Jupiter“-Sinfonie mit Naturtrompeten und Barockpauken spielen und hält überdies die Streicher zu sparsamem Vibratogebrauch an, was dem Werk ein scharfkantiges Profil verleiht.
Bei Richard Strauss darf der Klang des Orchesters dafür um so pastoser und üppiger sein. Hier bieten die Stuttgarter Philharmoniker eine Riesenbesetzung von 64 Streichern auf, die die Wünsche des Komponisten respektiert. Feltz lässt seine Musiker Straussens Tondichtung mit ganz breiten Pinselstrichen zeichnen, in manchmal schon zu gedehnten Tempi, die der Musik mehr Schwerfälligkeit als Schwere verleihen und sie nicht nur zum tönenden, sondern auch zum tönernen Koloss werden lassen.
Im Konzertsaal lässt sich solche Opulenz selten realisieren, und ebensowenig der spezielle Klangeindruck, den die Aufnahmetechnik vermittelt, wenn der Hörer denn technisch auf der Höhe der Zeit ist. Die besondere Pointe der vorliegenden Veröffentlichung ist es, dass gleich zwei Silberscheiben angeboten werden: einmal eine gängige, auf herkömmlichen CD-Playern abspielbare Stereo-Version, zum anderen eine CD in DTS Digital Surround-Technik (die beim Versuch des Abspielens auf üblichen Geräten leider nur ein Rauschen produziert). Diese Scheibe im DTS-Format nutzt auf ihre Weise die Möglichkeit der „Surround-Technik“ als Beitrag zur Werkinterpretation. Nichts ist zwar ungewöhnlich im Falle Mozart: Hier sitzt der Hörer in üblicher Konzertsaalperspektive dem Orchester gegenüber. Bei Richard Strauss’ Zarathustra leistet sich die Tontechnik jedoch das Experiment, die Orgel akustisch nicht hinter das Orchester zu stellen, sondern hinter das imaginäre Publikum. Und bei Ligetis mikropolyfon aufgefaserter Atmosphères-Partitur wird der Musikfreund gar direkt in die Klangtextur hineinversetzt, so, als sitze er inmitten des vielstimmigen Orchesters.
Gerhard Dietel