Werke von Kaiser Joseph I., Marc’ Antonio Ziani, Johann Joseph Fux und Antonio Caldara

Alme Ingrate – Kaiserliche Arien

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 21311
erschienen in: das Orchester 07-08/2014 , Seite 76

Komponierende und musizierende Magnaten – da fällt einem in der Regel zuerst Friedrich der Große mit seiner Querflöte ein. Dass die Herrscher am Wiener Hof des 17. und 18. Jahrhunderts aber auch hervorragend zu komponieren wussten, ist höchstens Fachleuten bekannt. Vor allem Kaiser Leopold I. (1660-1705), Joseph I. (1705-1711) und Karl VI. (1711-1740) begründeten eine Glanzzeit in der habsburgischen Metro-
pole, die sich durch eine starke italienische Komponente auszeichnete – „im Zeichen von politischem Katholizismus und traditionsbewusster Satzkunst“, wie das Booklet der vorliegenden CD in kleiner Schrift kenntnisreich verrät.
Dies ist jedoch nicht die eigentliche Besonderheit der CD, denn nur ein Stück stammt tatsächlich von einem Kaiser, der Rest von den ordentlichen Berufsmusikern Marc’ Antonio Ziani, Johann Joseph Fux und Antonio Caldara. Außergewöhnlich ist vielmehr die solistische Exposition der Posaune in den Sonaten und Vokalwerken des Wiener Hofes. Sie war dort nicht nur eine Klangfarbe inmitten des Stadtpfeifer-Instrumentariums, sondern hatte eine hervorgehobene Rolle in geistlichen wie weltlichen Bühnenwerken und Instrumentalstücken: eine Aufgabe, wie geschaffen für den Allrounder Henning Wiegräbe, der zuletzt noch eine Jazz-CD unter dem Titel Bone Talks vorgelegt hatte, hier jedoch mit eng mensurierter Posaune und trotzdem volltönend historisches Terrain betritt.
Nicht zum ersten Mal freilich, denn der Professor an der Musikhochschule Stuttgart hat Alte Musik studiert und ist Begründer des Stuttgarter Ensembles „Capricornus“, das auch auf dieser CD zu hören ist. Besetzt ist es mit Geigen, Cello, Laute, Orgel und – man höre und staune – dem Klarinettenvorläufer Chalumeau, das hier gar nicht unähnlich einem Zink klingt und wunderbar mit dem leicht geführten und virtuos strahlenden Sopran von Lydia Teuscher verschmilzt.
Die Musik selbst verhandelt in den textgebundenen Stücken glühende Emotionen, die zwar mehrheitlich geistlichen Hintergrund haben, sich in ihrem Ausdruck jedoch nicht von weltlichen Arien und Rezitativen unterscheiden – so ist das Barock. Höchstens vermeint man diesen Wiener Werken eine größere Strenge und sittliche Zurückhaltung anzuhören, als das bei den „richtigen“ Italienern der Fall war. Ungeachtet dessen ist hier großartige Musik zu hören, vom Kaiser Joseph I. ebenso wie vom begnadeten Stilistiker Johann Joseph Fux (1660-1741), der nicht zuletzt durch sein Theoriewerk Gradus ad Parnassum berühmt geworden ist. Die Arie „In un bivio è il mio volere“ aus dem Oratorium Maddalena ai piedi di Cristo (1713) von Antonio Caldara (1670-1736) ist gar von Händel’scher Eleganz. Eine CD, natürlich, für Fans der Alten Musik, aber durchaus auch für interessierte Einsteiger.
Johannes Killyen