Eger, Manfred

“Alle 5000 Jahre glückt es.” Richard und Cosima Wagner

Zeugnisse einer außergewöhnlichen Verbindung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hans Schneider Verlag, Tutzing 2010
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 64

Wenige Stunden vor seinem Tod hat Richard Wagner seiner Gattin Cosima eines der überschwänglichsten Komplimente gemacht: „Alle 5000 Jahre glückt es.“ Seit Veröffentlichung der Cosima-Tagebücher 1976 hat dieses Wagner-Wort die Runde gemacht und für allerhand Verklärungen dieser zweifellos außergewöhnlichen Ehe gesorgt. Vier Tage bevor Richard das Kompliment aussprach, das Cosima am 12. Februar 1883 in ihrem Tagebuch notierte, schenkte ihr der Gatte ein Notenblatt mit einer As-Dur-Elegie von geheimnisvoller, vielsagender Bedeutung, eine 13-taktige Komposition, mit der er seine einstige Liebe zu Mathilde Wagner kurz vor seinem Tod „gleichsam ad acta und Cosima zu Füßen legte“. Ein intimes Dokument, das Manfred Eger verdienstvoll in seine Dokumentation integriert.
Wäre der Briefwechsel zwischen Richard und Cosima erhalten, ließe sich deren so oft falsch dargestellte Beziehung genauer bestimmen. Doch Cosima selbst hat ihre gesamte umfangreiche Korrespondenz mit Richard dem Feuer übergeben lassen. Vollstreckerin war Tochter Eva. Zu Recht schreibt Manfred Eger in seinem Buch, das auf früheren, längst vergriffenen Publikationen basiert, die Geschichte „dieses Autodafés grenzt ans Kriminalistische“.
Immerhin, Eva Wagner war so unfolgsam, dass 17 Briefe ihres Vaters und drei weitere ihrer Mutter der Vernichtung entgangen sind. Und sie fertigte insgeheim Auszüge aus Briefen an. Alle erhaltenen Dokumente hat Manfred Eger – gemeinsam mit der As-Dur-Elegie, die Eva dem Dirigenten Arturo Toscanini 1931 geschenkt hatte, die nach dessen Tod für verschollen galt, aber 1991 bei Sothebys in London auftauchte und schließlich ins Bayreuther Wahnfried-Archiv zurückkehren konnte – mustergültig kommentiert und gebündelt zu einer Art komprimierter Beziehungsgeschichte Richard/Cosima.
Ein Buch, das viele Missverständnisse korrigiert und Vorurteile Lügen straft. Beispielsweise erfährt man deutlicher denn je, dass Hans von Bülow, der Liszt seine Karriere als Pianist und Dirigent zu verdanken hatte, Cosima Liszt nur heiratete, um seinem Mentor einen Gefallen zu tun und dessen Tochter standesgemäß unter die Haube zu bringen. Man erfährt aber auch, dass es wohl eher Cosima von Bülow war, die Wagner verführte und dadurch Bülows Leben zerstörte. Eger macht deutlich, wie sich Richards Verhältnis zu Cosima nach und nach gewandelt hat vom Verführten, Betroffenen, Beunruhigten zum – wie auch immer – Liebenden. „Sein ganzes Leben ist ein Hieb über die Schnur“, schrieb der Komponist und Wagner-Freund Peter Cornelius am 28. Oktober 1862 an seine Schwester Susanne. Cosima hat beinahe übermenschlich (dienend, unterwürfig, geradezu nönnisch) dafür gesorgt, dass diese Schnur nicht allzu früh reißt. Dafür war Richard ihr dankbar. Und man ist dankbar für dieses Buch von Manfred Eger.
Dieter David Scholz