Händel, Georg Friedrich

Alexander’s Feast or the Power of Musik

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello COV 30715
erschienen in: das Orchester 05/2008 , Seite 60

Die Macht der Musik hat Georg Friedrich Händel im Prinzip in all seinen Werken beschworen. Gerade in seinen Opern und Oratorien hat er die ganze Fülle an Affekten sowie an erhabenen und zärtlichen, klagenden und kämpferischen Gefühlen, die Musik zum Ausdruck bringen kann, aufs Schönste und Sinnlichste entfaltet. Seine Musik bewegt und berührt. Die Hörer mit ihr nicht nur zu unterhalten, sondern zu bessern war nach seinen eigenen Worten sein Ziel. Eine mächtige Absicht. Händel hat zudem auch Werke komponiert, die die Macht der Musik ganz direkt zum Thema haben. Sie entstanden zumeist für die Feiern zu Ehren der heiligen Cäcilie, der Schutzpatronin der Musik, an deren Feiertag, dem 22. November. Das größte dieser Stücke ist Alexander’s Feast von 1736, das im Untertitel the Power of Musik ausdrücklich zur Sprache bringt und wie die 1739 entstandene Cäcilienode einen Text von John Dryden vertont, des seinerzeit viel gerühmten patriotischen englischen Dichters.
Die neue Aufnahme des Alexanderfestes, die mit dem Kammerchor Aachen, dem Overbacher Kammerchor und dem Sinfonieorchester Aachen unter Marcus Bosch im Mai 2007 im Alten Kurhaus in Aachen aufgenommen wurde, hat zunächst einen aparten biografischen Bezug zu Händel und diesem Stück. Denn im Jahr nach der Entstehung des Alexanderfestes erlitt Händel einen Schlaganfall und erholte sich in den Bädern von Aachen. Doch das ist es gewiss nicht, was die Bedeutung der vorliegenden Aufnahme ausmacht. Deren Wert liegt vielmehr in der gelungenen Vergegenwärtigung der eingangs angedeuteten Ausdrucks- und Sprachkraft der Musik Händels. Sehr eindrucksvoll ist dabei, wie es Marcus Bosch gelingt, mit einem auf modernen Instrumenten spielenden Opern- und Konzertorchester die Einsichten der historischen Aufführungspraxis umzusetzen. Das zeigt sich einer sehr differenzierten Artikulation und Phrasierung sowie einem lebendig bewegten und elastischen rhythmischen Impuls.
Bosch meidet robuste Knalleffekte, ihm ist ganz offensichtlich an einer subtilen Ausarbeitung von Händels Affektkunst und einer im besten Sinne beschwingten Gangart gelegen. Eine animierende Händel-Aufnahme, die dank des kammermusikalisch feinsinnigen Spiels des Sinfonieorchesters Aachen die Möglichkeiten der Barockwiedergabe mit einem „herkömmlichen Orchester“ effektiv ausnutzt. Der Aachener und Overbacher Kammerchor in der Einstudierung von Martin te Laak singen mit geschmeidigem und flexiblem Klang. Die Sängerinnen und Sänger gefallen durch einen lockeren und beweglichen Ton sowie ausgefeilte und fein akzentuierte Textdiktion. Dorothee Mields ist eine anmutige und hochkultiviert singende Sopransolistin, die ihre Stimme klangschön zum Strahlen bringt. Durch noble Tongebung und erlesene Linienführung überzeugt der Tenor Paul Agnew, der sich auch durch mustergültige Deklamation auszeichnet. Mit der gebotenen Prägnanz gestaltet Woong-jo Choi die Bass-Partie. Judith Berning bewährt sich stilsicher in den hier nur kleinen Aufgaben für den Alt.
Karl Georg Berg