Prokofiev, Sergej
Ägyptische Nächte
Nachdem sich die Firma Capriccio in den vergangenen Jahren intensiv für die zumeist unbekannte Filmmusik von Dmitrij Schostakowitsch engagiert hat, bietet sie nun einen Einblick in eine kaum bekannte Schauspielmusik von Sergej Prokofjew: Ägyptische Nächte. Im vergangenen Jahr erschien zwar schon bei Orfeo die Suite op. 61 zu den Ägyptischen Nächten mit dem WDR-Sinfonieorchester Köln unter Gerd Albrecht (Orfeo 258031), die Neueinspielung unter Michail Jurowski bietet aber nicht nur sinfonische Auszüge, sondern das Werk in seiner Gesamtheit. Jurowski, der sich bei Capriccio schon erfolgreich für Prokofjews Schauspielmusiken zu Hamlet und Boris Godunow (Capriccio 67058) eingesetzt hat, zeigt sich mit dem hervorragend disponierten Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin als ein kongenialer Prokofjew-Interpret.
Die Ägyptischen Nächte sind im Zusammenhang mit dem 100. Todestag von Alexander Puschkin entstanden, für den Prokofjew nicht nur die Musik zu Boris Godunow, Eugen Onegin (Prokofjew plante eine Oper, welche die nicht von Tschaikowsky vertonten Szenen enthalten sollte) oder Mozart und Salieri plante. Bei den Ägyptischen Nächten aus dem Jahr 1934 handelt es sich um ein Projekt nach dem gleichnamigen Puschkin-Poem, zu dem Texte von William Shakespeares Antonius und Cleopatra sowie Caesar und Cleopatra von George Bernard Shaw kamen. Initiator war der Regisseur Alexander Jakowlewitsch Tairow, an dessen Moskauer Kammertheater das Unternehmen realisiert wurde.
Im sehr informativen Booklet der CD wird die rege Anteilnahme des Komponisten an den Proben ebenso geschildert wie die Bedeutung der Musik, die weit über Illustratives hinausgeht. Die Mischung aus Orchesterstücken, Melodramen und relativ kurzen Gesangseinlagen, wie sie Jurowski auf der Einspielung präsentiert, kann zwar nur einen ungefähren Eindruck des Gesamtprojekts vermitteln, die Qualität der Musik, die hier nachvollziehbar wird, steht aber ebenso wie die schriftlichen Zeugnisse für das große Interesse des Komponisten an den Ägyptischen Nächten. Prokofjew kann in dieser Musik seine lyrischen Fähigkeiten ebenso wie die illustrative Gegenüberstellung der Welten von Kleopatra und der eher martialisch gezeichneten Römer zur Geltung bringen.
Jurowski und sein mit lichtem Streicherglanz und gerundetem Blech aufwartendes Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin sowie eine die Musik sehr plastisch nachzeichnende Aufnahmetechnik tun jeweils ein Weiteres für den Wert der Einspielung, bieten hohe Qualität. Dazu kommen mit der prägnanten Sprecherin Chulpan Chamatova, die auch einem des Russischen nicht mächtigen Hörer einen Eindruck der Verse Puschkins vermitteln kann, dem Tenor Victor Sawaley und dem Bass Arutjun Kotchinian überzeugende Solisten. Eine Produktion, die über den Raritätenwert hinaus durch die hohe
musikalische Qualität und das Engagement der Beteiligten überzeugt.
Walter Schneckenburger


