Adrianne Pieczonka
Werke von Richard Wagner (Tannhäuser, Die Walküre, Lohengrin) und Richard Strauss (Ariadne auf Naxos, Arabella, Capriccio)
An Wagner scheiden sich bekanntlich gerne die Geister; die Diskussion um seine musikalische Kunst sollte hier freilich nur auf die viel besprochene Ästhetik des Wagner-Gesangs (Jürgen Kesting) angewendet werden. Von dem stimmlichen und musikalischen Potenzial der gerade frisch in Bayreuth als Sieglinde in Wagners Walküre gekrönten Adrianne Pieczonka kann sich nun auch der aufmerksame CD-Hörer ein eigenes Bild machen; die kanadische Sopranistin verspricht in der Aufnahme von Wagner- und Strauss-Partien zusammen mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Ulf Schirmer viel.
Sogleich fasziniert der ungeheure Reichtum in der Stimme, entflammt Pieczonka in Dich teure Halle grüß ich wieder musikalische Funkenschauer mit zugleich beeindruckender Leichtigkeit und tief durchschimmernder dramatischer Emphase. Doch schon hier fällt im Zwiespalt zwischen unsanglich harter deutscher Sprache und dem bewusst italienischen stimmlichen Angang der Sopranistin auf, dass Pieczonka ihre Stimme aus der Fülle des Wohllauts nicht immer klar zu führen scheint.
Ihre Wagnersche Belcanto-Adaption zeigt z.B. in Tonrepetitionen nicht immer schlüssige Portamenti, die Linienführung ist bisweilen durch einen feinen Hang zum nicht komponiert Chromatischen ein wenig unklar bzw. durch das nicht immer glückliche messa di voce irritierend. Fast fürchtet man ein Ausbrechen der Stimme. Dieses unterbleibt jedoch zum Glück. In Allmächtge Jungfrau, hör mein Flehen (Tannhäuser) führt sie ihre große Stimme wandlungsfähiger vor: In feiner Verwebung mit dem brillant musizierenden Münchner Rundfunkorchester gelingt trotz der auch hier anklingenden oben genannten grundsätzlichen Kritikpunkte ein musikalisches Kleinod. Der Männer Sippe (Die Walküre) gerät zum Faszinosum und überzeugt endgültig durch das enorme Potenzial dieser großartigen Künstlerin. Mit Auszügen aus Strauss Ariadne, Arabella und Capriccio betritt Pieczonka mit dem auch hier zwar versiert, aber im Vergleich zu Wagner nicht so feinfarbig musizierenden Orchester ein anderes musikalisches Feld, in dem sie mit schlanker geführter Stimme ebenso überzeugend zu Hause ist. Ihrem Umgang mit der Sprache zu lauschen, ist überwiegend eine Freude; eine leichte Neigung zum Nachdrücken oder die eine oder andere etwas zu schwere Endsilbe können den Hörgenuss kaum beeinträchtigen.
Insgesamt entführt Adrianne Pieczonka mit dieser CD trotz kleiner Schwächen in die faszinierende Welt ihrer vollen, sehr reichen und äußerst musikalisch geführten Stimme.
Christina Humenberger