Rossini, Gioachino

Adelaide di Borgogna

Live from the Rossini Opera Festival Pesaro 2011, 1 Blu-ray Disc

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Arthaus Musik 108 060
erschienen in: das Orchester 06/2013 , Seite 75

Lange Zeit galt das Interesse der Opernhäuser vor allem den komischen Opern Gioachino Rossinis, allen voran dem Barbiere di Siviglia. Erst nach und nach gerieten auch seine zahlreichen ernsten Bühnenwerke vermehrt in den Blick, vor allem weil sich renommierte Sängerinnen des Belcanto für sie einsetzten. Noch vor wenigen Jahrzehnten war auch die Zahl an Einspielungen der Seria-Opern des „Schwans von Pesaro“ begrenzt. Längst aber liegen viele dieser Stücke in Aufnahmen vor.
Doch es gibt noch immer Entdeckungen zu machen. Mit diesen tun sich nicht zuletzt die Rossini gewidmeten Festivals hervor, das große in seiner Geburtsstadt Pesaro, aber auch das kleine in Bad Wildbad im Schwarzwald, wo der Meister einmal auf Kur war. In den meisten Fällen werden dergleichen Bemühungen erfreulicherweise auf Ton- oder Bildträger dokumentiert. So auch bei der 1818 uraufgeführten Oper Adelaide di Borgogna, der ersten Opera seria Rossinis für Rom. 2011 wurde sie beim Rossini Opera Festival in Pesaro aufgeführt – und für eine Blu-ray-Disc bzw. DVD aufgezeichnet. Es war erst die dritte szenische Einstudierung seit der römischen Uraufführung. Eigentlich unverständlich, denn das Werk ist reich an musikalischen Schönheiten und dankbaren Aufgaben für die Sänger.
Davon kündet die dokumentierte Einstudierung in eindrucksvoller Weise. Unter dem spritzigen und impulsiven Dirigat Dmitri Jurowskis am Pult des Orchesters der Oper von Bologna kommt Rossinis Musik mit viel Elan und dramatischem Feuer zur Wirkung. Das Ensemble beweist enge Vertrautheit mit Rossinis Kunst. Jessica Pratt singt die Titelrolle mit edler Leidenschaft und expressiv geformten Gesangslinien. Daniela Barcellona fasziniert in der Hosenrolle des Ottone durch brillante Koloraturen und strahlende Stimmpracht. Eine Entdeckung ist der junge Tenor Bogdan Mihai als Adelberto, der sich durch schillernde Beweglichkeit und leichten Ansatz auch in der hohen Lage als große Hoffnung im Rossini-Fach erweist. Nicola Ulivieri gibt dem Berengario markantes Profil ohne alle Schwerfälligkeit. Auch Jeannette Fischer als Eurice und Francesca Pierpaoli als Iroldo passen ideal in ein vorzügliches Rossini-Ensemble.
Für die Inszenierung zeichnet Pier’Alli verantwortlich, der das Stück aus dem Mittelalter ins 19. Jahrhundert verlegt und durch aufwendige Videoprojektionen für reichlich Augenpulver sorgt. Dabei gelingen ihm trotz der ständig wechselnden optischen Eindrücke nachhaltige und attraktive Bilder von packender Aura, die ihren eigenen Sinn haben und doch einen idealen Rahmen liefern, in dem sich Sänger und Musik ungezwungen entfalten können.
Ein Bonus-Track über die Entstehung der Produktion ist aufschlussreich und lässt u. a. den Dirigenten Jurowski und den bekannten Rossini- Forscher und Dirigent Alberto Zedda zu Wort kommen.

Karl Georg Berg