Bruch, Max

Acht Stücke op. 83

für Klarinette (Violine), Viola (Violoncello) und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2009
erschienen in: das Orchester 03/2010 , Seite 65

Im Februar 1910 schrieb Max Bruch über seine frisch komponierten Stücke für Klarinette, Viola und Klavier, sie seien “überall, wo sie aus dem Manuskript gespielt wurden, mit großer Sympathie begrüßt” worden.
Lange musste man damals aber nicht mit dem Manuskript Vorlieb nehmen: Noch im gleichen Jahr ging die Sammlung als op. 83 (inklusive einer alternativen Bearbeitung für “gewöhnliches” Klaviertrio) in Druck. Dabei ist es dann allerdings für die nächsten 99 Jahre auch geblieben: Wer die reizvollen Stücke aufführen wollte (etwa als Ergänzung zu Mozarts Kegelstatt-Trio oder Schumanns Märchenbildern), musste das aus Nachdrucken der Originalausgabe tun.
Der Henle-Verlag hat die acht Stücke jetzt als Urtext neu veröffentlicht und damit eine wichtige “Versorgungslücke” geschlossen. Nicht, dass die bisherigen Ausgaben dadurch gleich völlig unbrauchbar würden: Da Bruchs Autograf verschollen ist, bleibt die Erstausgabe von 1910 die Hauptquelle für den Notentext, in dem es dann auch erwartungsgemäß keine nennenswerten Überraschungen gibt. Dennoch hat die Henle-Ausgabe eine ganze Reihe von Vorteilen, die sie für die Zukunft sicherlich konkurrenzlos machen dürfte: Zum einen versammelt sie erstmals alle acht Stücke zusammenhängend in einem Band – bisher waren die Nummern nur als Einzelausgaben zu haben, was insbesondere bei einer kompletten Aufführung ziemlich unpraktisch war. Zum anderen hat sich dadurch der Preis nicht etwa erhöht, sondern glatt halbiert: Musste man bisher rund zehn Euro pro Stück anlegen, ist man jetzt mit insgesamt 39 Euro dabei. Dafür gibt es nicht nur die Klavierpartitur samt Solostimmen, sondern auch noch zwei separate Stimmen für Violine bzw. Violoncello und (als Zugeständnis an die Laienkundschaft) eine zusätzliche Klarinetten-Stimme nur für B-Klarinette.
Schließlich glänzt Henle einmal mehr mit der gewohnten Sorgfalt seiner Urtext-Ausgaben: Das Druckbild ist gegenüber der Erstausgabe deutlich verbessert, zusätzlich zu den Studierziffern gibt es jetzt auch
Taktzahlen und praktikablere Wendestellen. Und natürlich bewegt sich die Aufarbeitung des Notentextes auf beispielhaft hohem Niveau. Bis ins Detail lassen sich Quellenlage und Herausgeber-Entscheidungen anhand eines siebenseitigen Bemerkungskatalogs nachvollziehen. Die Klavierstimme enthält sogar eigene Markierungen, wo die alternativen Violin- und Cello-Partien von den wiedergegebenen Klarinetten- bzw. Bratschen-Stimmen abweichen.
Das informative Vorwort von Herausgeberin Annette Oppermann weckt allerdings eine Neugier, die eine wissenschaftliche Edition leider nicht befriedigen kann: Aus einem bisher unveröffentlichten Brief Bruchs geht hervor, dass wohl zumindest drei der acht Stücke ursprünglich einmal mit einer zusätzlichen Harfenstimme versehen waren. Unglücklicherweise ist diese mit dem Autograf verschollen – aber eine versuchsweise Rekonstruktion der Harfe aus den entsprechenden Arpeggien der Klavierstimme wäre dann wohl doch ein bisschen zu spekulativ.
Joachim Schwarz