A Musical Journey – Berliner Philharmoniker in Singapur – Sir Simon Rattle

Ein Film von Michael Beyer. Gustav Mahler: Symphony No. 1 / Sergei Rachmaninov: Symphonic Dances op. 45

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Warner Brothers 1000340938
erschienen in: das Orchester 02/2013 , Seite 71

„Ein abendfüllender Konzertfilm, wie es ihn nie zuvor gegeben hat.“ – „Eine völlig neue Art des Musikhörens.“ Die Superlative, die Michael Beyers Film über ein Konzert der Berliner Philharmoniker in Singapur im besten PR-Deutsch angeheftet werden, versprechen viel – wahrscheinlich zu viel. Der Film A musical journey entstand im Rahmen der von Simon Rattle geleiteten Tournee der Philharmoniker durch Südostasien und Australien im Jahr 2010. Es ist einer der ersten in 3D gedrehten Konzertmitschnitte, der – im Gleichschritt mit großen Opernübertragungen – konzertante Klassik auch in den Kinosälen hoffähig machen sollte. Doch genau darin liegt ein wesentliches Problem der jetzt erschienenen DVD: Wer nicht über einen 3D-Fernseher verfügt, wie die allermeisten der potenziellen Interessenten (und auch der Verfasser dieser Rezension), sieht im ersten Teil nur eine hochwertige, musikalisch exzellente, ansonsten aber relativ normale Aufführung von Mahlers erster Sinfonie.
Im zweiten Teil folgen Rachmaninows Symphonische Tänze, diesmal bebildert mit Impressionen aus Singapur. Sie erzählen von einer pulsierenden, multikulturellen Stadt, bleiben in ihrer Auswahl aber recht beliebig, in ihrer Bildsprache konventionell (die Zeitraffer-Technik als künstlerisches Mittel erschöpft sich schnell) und stehen nicht wirklich in Beziehung zu dem selten aufgeführten Werk. Bei Kinokritikern, deren Hauptaugenmerk naturgemäß nicht auf der Musik liegt, fiel der Film jedenfalls in vielen Fällen durch. Dabei kann man ihn auch auf DVD mit einer ordentlichen Anlage und einem akzeptablen 2D-Fernseher genießen. Man sollte nur nicht zu viel erwarten.
Man sollte sich auf die Musik konzentrieren und auf die Musiker dieses deutschen Ausnahme-Orchesters. Mit welch engagierter Frische und zugleich über allen materiellen Schwierigkeiten stehender Selbstverständlichkeit sie Gustav Mahlers erste Sinfonie spielen, das ist phänomenal. Ganz selten ist das Mysterium des Anfangs, „Wie ein Naturlaut“, so plastisch gestaltet worden. Das Kontrabass-Solo im dritten Satz: wie eine Cellosonate. Simon Rattle versucht nicht, sich mit Extravaganzen von anderen Interpretationen abzuheben, erreicht beim Zuschauer – mit seiner Tempowahl, mit kleinen Verzögerungen und großem Atem – aber mühelos ein „So und nicht anders“-Gefühl. Etwas ungewohnt ist nur, dass nach der Schlussapotheose des vierten Satzes das Konzert noch nicht zu Ende ist, sondern mit Rachmaninow fortgesetzt wird.
Bei einer Werbeaktion präsentierten die Berliner Philharmoniker jeden einzelnen ihrer Mitspieler als Solisten und Virtuosen. Das entspricht den Fähigkeiten der Musiker, die – wie etwa die Hornisten – zu unglaublichen Solotaten fähig sind. Und in diesem Ensemble doch zu einem Organismus zusammenwachsen, der gemeinsam atmet, denkt und spielt. Ein Ereignis ist das gewiss. Aber kein Konzertfilm, der alles, was bisher war, in den Schatten stellt.
Johannes Killyen

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