Leon J. Bly

A History of the Music for Wind Band

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Lit Verlag, Münster
erschienen in: das Orchester 9/2025 , Seite 73

Möglicherweise stolpert man bereits beim Titel dieser gleichzeitig voluminös ausladenden wie persönlich einladenden Publikation über den Begriff „wind band“, den ins Deutsche zu übersetzen nicht leicht fällt. Die diesbezüglichen Begrifflichkeiten wie deren regionale und inhaltlichen Unterschiede sind mannigfaltig und teils widersprüchlich. Leon J. Bly differenziert und erklärt die Unterschiede und zeichnet hier eine zweitausend Jahre alte europäische Tradition mit ihren vielfältigen Beeinflussungen und Facetten nach. Dabei wagt er auch Seitenblicke in außereuropäische Entwicklungen. Folgt er vom Alter­tum bis hin zu den 1960er Jahren einer rein chronologischen Sichtweise, so widmet er ein einziges nicht-chronologisches Kapitel dem Nationalismus und dem Marsch. Den Marsch bezeichnet er dabei als „one of the most unmistakable expressions of nationalism music“, insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert. Der historische Schwerpunkt von Blys Abhandlung – und das setzt sie von den mittlerweile vielen anderen Untersuchungen über Wind bands deutlich ab – liegt in der Betrachtung der Musik des 20. Jahrhunderts.
Der große Verdienst dieser Publikation ist ihre umfangreiche und fast lexikonartig klar strukturierte, bis in die Jetztzeit reichende Auflistung von Komponisten, ihren Werken und einer ersten musikhistorischen und -kritischen Einordnung der Kompositionen. Hier hat Bly die Möglichkeit ergriffen, für eine lange Zeit das Standardwerk zur Literaturkunde im Bereich der Wind bands zu sein. Komponisten, die nach 1969 geboren wurden und für Wind bands komponiert haben, sind in diesem Werk noch nicht aufgenommen worden. Dadurch sollen diese in keiner Weise diskreditiert werden, Bly sieht hier vielmehr ein umfangreiches Forschungsfeld, das letztlich durch seine Größe den hier gewählten Rahmen sprengen würde. Auch will er über die „zeitgenössische“ Musik und deren Qualität aus seiner eigenen zeitlichen Nähe heraus ungern bereits jetzt urteilen. Aus diesem Grunde wagt er bei Musik weiter entfernter Epochen durchaus eine Unterteilung der Komponisten in so etwas wie Hauptvertreter und Kleinmeister. Auch diese Einschätzung unterlässt er bei Komponisten ab 1929, weil „exactly who the major composers are is most difficult to determine in one’s own lifetime“.
Ein fantastisches Werk, das große Linien nachzeichnet, aber auch wichtige Details in den Blick nimmt. Der Schriftsatz und das Schriftbild dieses Buchs sowie der sparsame – aber dennoch alles Wesentliche verzeichnende – Anmerkungsapparat auf jeder Seite machen es zu einem ausgesprochen gut lesbaren und augenfreundlichen Werk. Ein einziger Wunsch bleibt offen: eine computergestützte Datenbank, die Musik für Wind bands möglichst vollständig und bis in die jüngste Zeit verzeichnet. Blys vorliegendes Werk bildet hierfür das geeignete Fundament.
Ralf-Thomas Lindner

 

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