Beethoven, Ludwig van

7. Sinfonie/8. Sinfonie

Rubrik: CDs
Verlag/Label: hr musik hrmk 034-06
erschienen in: das Orchester 06/2007 , Seite 77

Hugh Wolff, von 1997 bis 2006 Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters, gehört zu der immer größer werdenden Zahl von Dirigenten, die bei der Musik der Wiener Klassik trotz eines weitgehend modernen Instrumentariums konsequent die Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungspraxis zur Wirkung bringen. Das haben schon seine geistreichen und spritzigen CDs mit Sinfonien Haydns sowie seine Einspielungen der 5. und 6. Sinfonie von Beethoven gezeigt. Nun liegt eine neue CD mit Beethovens Sinfonien Nr. 7 A-Dur op. 92 und Nr. 8 F-Dur op. 93 vor, die dieses Konzept erfolgreich fortsetzt.
Bei den im Dezember 2005 entstandenen Aufnahmen verwendet Hugh Wolff neben heute schon sehr häufig bei Mozart, Haydn, Beethoven oder Schubert verwendeten Naturtrompeten und historischen Pauken von kleinerem Ausmaß auch Naturhörner. Das schärft auf der einen Seite weiter das Klangbild im Blick auf die bei Beethoven so wichtigen Blechbläserakzente. Auf der anderen Seite wird so die Klangbalance grundsätzlich betroffen und der Gesamtklang luftiger und durchhörbarer. Auch die historisch zutreffende Orchesteraufstellung mit den ersten und zweiten Geigen links und rechts vom Pult sowie eine im Prinzip an Beethovens Metronomangaben sich orientierende Tempodisposition sind Indizien einer Interpretationsmanier, die Beethovens Musik mit den aufführungspraktischen Mitteln ihrer Zeit nahekommen will. Ganz ähnlich ging ja auch Sir Roger Norrington mit dem Radio-Sinfonieorchester des SWR in Stuttgart bei seinem viel gerühmten Beethoven-Zyklus von 2002 vor.
Verblüffend ist nun zu erleben, dass Hugh Wolff mit dem hr-Sinfonieorchester mit analogen stilistischen Mitteln – und ebenfalls die kritische Jonathan-del-Mar-Ausgabe nutzend – eine andere sinnliche Anmutung erreicht. Die historisch informierte Aufführungspraxis ersetzt eben nicht interpretatorische Individualität oder schränkt sie ein. Im Gegenteil: Sie bietet mindestens ebenso viele eigenständige Deutungen wie die überkommene Spielweise – eine wichtige und schöne Erfahrung.
Hugh Wolffs Beethoven mit dem in brillanter Weise musizierenden hr-Sinfonieorchester, das auf Tonträgern früher eher mit Mahler und Bruckner auf sich aufmerksam machte, ist bestimmt von schillernder Beweglichkeit, einem frischen und quicklebendigen rhythmischen Gestus sowie einer animierenden Leichtigkeit im Ton und schwebend lockerem Klang. Das heißt nun wahrlich nicht, dass Hugh Wolffs Beethoven harmlos und ohne dramatische Intensität wäre. Kein Akzent bleibt unterbelichtet, kein musikalischer Charakter vage. Aber der Geist apollinischer Helligkeit und klassischer Klarheit schimmert in diesen Aufnahmen aufs Schönste durch – und das ist eben auch eine Facette des Beethoven’schen Werks.
Karl Georg Berg