Eichner, Ernst

6 Quartette

für Flöte, Violine, Viola und Violoncello op. 4, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ries & Erler, Berlin 2005
erschienen in: das Orchester 01/2007 , Seite 85

Eichner wurde 1740 in der damaligen Residenzstadt Arolsen geboren, nicht in Mannheim, wie lange angenommen. Sein Vater, als Fagottist „Cammermusicus“ der Hofkapelle, war sein erster Lehrer, und auch der Sohn wird später als Virtuose auf diesem Instrument glänzen. Ab 1762 ist Eichner am Hof in Zweibrücken als Violinist, ab 1769 auch als Komponist und Konzertmeister tätig. Herzog Christian IV. ermöglichte ihm nach Paris zu reisen und finanzierte auch den Druck seiner ersten sechs (von insgesamt 31) Sinfonien, die Eichners guten Ruf begründeten. Seine in schneller Folge entstandenen anderen Werke finanzierte er dann selbst, was mit Konzertreisen als Fagottspieler und mit seinem Jahresgehalt von 600 Gulden gut möglich war.
Die Flötenquartette, deren Autograf als Kriegsverlust nicht mehr verfügbar ist, wurden 1771 komponiert, was durch die Widmung an Ehrlenholtz, den herzoglichen Schatzmeister, belegt ist. Sie sind zweisätzig, vier in Dur (D, G, D, C) und zwei in Moll (d, g). Eichners wohllautende und leichtflüssige Musik ist, wie die Johann Christian Bachs, italienisch beeinflusst. Sie bedarf nicht nur flinker Finger für die vielen schönen Schnörkel und Blümchen – vor allem in Flöte und Violine –, sondern auch ein feines Gefühl gerade für die kleinen Bewegungen dieser nie melancholischen Musik.
Dynamisch kontrastreich und rhythmisch sich „aufschaukelnd“ ist die Musik allerdings nie wirklich dramatisch, sondern beste höfische Musik, die anspruchsvoll unterhalten und gefallen will. In seiner Art der Sonatenform ist er unabhängig von seinen Zeitgenossen, und Kritiker des 18. Jahrhunderts wie Schubart, Junker, Forkel oder Reichardt lobten Eichner denn auch wegen seiner Satztechnik gegenüber anderen „modernen“ Komponisten. Für Friedrich den Großen war sie – pointiert gesagt – eher als Dessert geeignet, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm war sie dagegen das Hauptmenü. Man erkennt den veränderten Geschmack, dem der alte König nicht mehr folgen wollte.
Als Vorlage für die Neuausgabe mit Partitur und vier Stimmen wurde der Hummel-Raubdruck von 1790 verwendet – warum eigentlich nicht auch die Bremner-Ausgabe der British Library von 1773? Leider sind durch die einfache Heftung die Seiten der Partitur zur Mitte hin zunehmend bis knapp an den Taktstrich unschön abgeschnitten. In den Text selbst wurde, weil eine praktische Ausgabe beabsichtigt war, stark eingegriffen. Verzierungen und Triller wurden „in eine für den heutigen Spieler verständliche Form“ gebracht, „die Berichtigung der Druckfehler wurde kommentarlos umgesetzt“. Die Folge sind irreführende Balkungen, Inkonsequenzen der Dynamik, Diskrepanzen in Bogensetzungen, Artikulationen und Taktzahlen sowie fehlende oder falsche Akzidenzien. Manches wird wohl auch dem unzureichend beherrschten Notensatz zuzuschreiben sein, z.B. auch, dass die Generalbassbezifferung nicht übernommen wurde, die interessante harmonische Zusatz-Informationen enthält. Für den stolzen Preis von 41 Euro ist das eine Zumutung! Eichners Quartette hätten eine Nachbearbeitung verdient.
Zeljko Pesek