Vivaldi, Antonio
6 concerti op. 10
Die sechs Flötenkonzerte op. 10 von Antonio Vivaldi gehören zu den meistgespielten Konzerten der virtuosen Flötenliteratur. So nimmt es einerseits nicht Wunder, wenn eine Flötenvirtuosin wie Sefika Kutluer auch ihren Beitrag zu den verfügbaren Aufnahmen leisten möchte, andererseits wundert man sich doch ein wenig, so man in die CD genauer hineinhört. Gleich zu Beginn stellt sich die aufführungstechnisch spannende Frage, aus welchem Holz die hier zu hörende Flöte geschnitzt ist. Johannes-Hammig-Flöten lassen gerade diese warme, volle Klangfärbung zu; allerdings lässt sich trotz des Hinweises auf den Hersteller des gespielten Instruments dessen Material nicht ersehen. Es bleibt der Klangeindruck. Die im Booklet abgebildeten Fotos anderer Einspielungen zeigen allerdings eine Metallflöte.
Zu der zunächst stark holzigen Färbung des Soloinstruments gesellt sich weich und schwebend der Ensembleklang des Orchesters hinzu: Mitglieder der Berliner Philharmoniker musizieren unter der Leitung von Rainer Sonne den barocken Konversationspart. Und spätestens hier beginnt man, die weich fließende Aufnahme, die so angenehm unaufdringlich dahinperlt, etwas kritischer zu hören: Sefika Kutluer artikuliert fein, differenziert sehr fragil, überzeugt durch technische Brillanz und erfreut durch einen gewissen Live-Charakter. Die flötentypischen, reichen Klangfärbungen und ein etwas luftiges Vibrato erzeugen einen unsterilen Klang, der wohltuend ehrlich musiziert doch von großer Perfektion zeugt.
In den schnellen Sätzen, die geschmackvoll temperiert sind und spritzig aus dem Lautsprecher wirbeln, fasziniert vor allem die sehr präzise technische Durchdringung der musikalischen Faktur. Die langsamen Sätze lassen mit feinem musikalischen Gespür und nicht zu großer Geste unpathetische Kleinode entstehen, in denen auch das wie aus einem Guss begleitende Orchester phasenweise in den Dialog mit der brillanten Solistin tritt. Allein diese Phasen wünschte man sich häufiger. So ist es auch vor allem der Orchesterpart, der differenzierter ausmusiziert werden könnte.
Zwar überzeugen die Musiker durch einen ausgesprochen homogenen Klang, aber auch Vivaldis Flötenkonzerte bedürfen binnendifferenzierter Abschattierungen. Der große, weiche, vieles verwischende Pinsel gut gemeinten Halls, die etwas zu stereotype Akzentsetzung bzw. entsprechende Akzentvermeidung trägt nicht unbedingt zu einem atemberaubend neuen Klangerlebnis bei. Zwar erklären die Musiker nicht, dass sie hinsichtlich der historischen Aufführungspraxis exemplarisch arbeiten möchten, aber ein wenig mehr Gespür für barocke Traditionen wäre doch wünschenswert gewesen.
So dominiert oft der Spieluhraspekt barocker Meterware. Das ist schade, stellen die faszinierend virtuos musizierten Flötenkonzerte doch wirkliche Kabinettstückchen dar, deren Schönheit zwar auch in dieser Einspielung zum Tragen kommt, aber leider insgesamt zu sehr an einer etwas seichten Oberfläche bleibt.
Christina Humenberger