Beethoven, Ludwig van / Franz Schubert

5. Sinfonie / 7. Sinfonie

Rubrik: CDs
Verlag/Label: DaCapo Austria 912
erschienen in: das Orchester 03/2010 , Seite 68

Um eine CD mit zwei berühmten Orchesterwerken, welche bereits wie keine anderen so oft auf Tonträger eingespielt wurden, trotzdem verkaufen zu können, muss sich ein Dirigent schon etwas Besonderes einfallen lassen. Nicht einmal die klingenden Namen berühmter Komponisten scheinen mehr zum Kauf zu reizen, sondern lediglich der breite Name “Kendlinger” als marketingstrategisches Qualitätssiegel soll den auslösenden Anreiz für Beethovens Fünfte und Schuberts “Unvollendete” geben. Dazu passend das über eine Selbstdarstellung nicht hinausgehende Booklet, welches auf Informationen über die Komponisten ganz verzichtet. Außerdem fallen eigenartig transkribierte Namen auf, welche missverständlich zu lesen sind: Verbirgt sich hinter “Plakhinskyy” vielleicht “Plachinskij”?
Die Fragen nun: Werden die beiden Sinfonien noch besser interpretiert? Hören wir da eine gestochen scharfe und farbengepfefferte “blue ray”-Aufnahme? – Leider nicht. Aufnahmetechnisch ist die CD zwar sehr direkt, doch birgt sie etliche Ungereimtheiten, entsetzen die irritierenden Temposchwankungen. Einige Beispiele bei Schubert: Zunächst ist die Generalpause vor dem donnernden Ausbruch (T. 62) nicht im Takt, worauf das Tempo extrem anzieht, um dann bei T. 93 wieder abzuflachen. Bei Eintritt der Exposition wird es dann gar um die Hälfte bleiern langsamer (T. 120), um daraufhin wieder zu rasen (ab T. 135 ff.). Es scheint, Kendlinger hält die aufwühlend-schneidende Spannung einer erschütternden Langsamkeit nicht aus. Auch manche Fortissimo-Akkorde werden lieblos hart abphrasiert (T. 64/282), ein sinnliches Portato weicht einem trennenden Staccato, was einer schubertschen Klangaura abgründiger Tiefe im Wege steht. Von Werktreue hält Kendlinger offenbar genauso wenig (keine Wiederholung der Exposition, was er sich jedoch bei Beethoven nicht erlaubt!), wie er vermutlich kaum biografische Kenntnisse über Schubert besitzt. So forderte jener in seiner Instrumentalmusik bekanntlich eine strikte Einhaltung der Tempi und legte viel Wert auf sinnliche Ariosi.
Dagegen wirkt Beethovens Fünfte sehr stringent und geradlinig durchgespielt, aber auch hier wirken die Phrasierungen nüchtern und unterkühlt. Dies scheint das robuste Werk stellenweise durchaus zu vertragen, doch das eigentlich Schicksalstönende fällt unter den Tisch. Rubatohaft ausgereizt wird der zweite Satz, besonders bei den Piano-Stellen. Forte heißt bei Kendlinger oft schnell. Gewöhnungsbedürftig betont er im Übergang zum IV. Satz die Vorhalte komisch blubberig statt die eigentliche Hauptnote. Überzogen das Tempo mit etwa 110 Halben statt der geforderten, freilich nur empfohlenen 84, welches sich im weiteren Verlauf des glänzenden Schlusses noch steigert. Extremer Bruch dann in Takt 150, wo Kendlinger das Tempo irritierend verlangsamt, um dann bei der Wiederholung des C-Dur-Themas auf Höchstgeschwindigkeit mit einem Puls von 120 Schlägen aufzudrehen. Eine CD wie eine musikalische Achterbahn, auf der es nicht jedem wohl sein wird.
Werner Bodendorff