Beethoven, Ludwig van / Charles Ives

5. Sinfonie / 2. Sinfonie

Rubrik: CDs
Verlag/Label: hrmk 025-04
erschienen in: das Orchester 06/2005 , Seite 77

Beethovens fünfte und Ives’ zweite Sinfonie – auf den ersten Blick eine merkwürdige, um nicht zu sagen skurrile Kombination. Aber nur auf den ersten Blick: Der amerikanische Pionier Charles Ives hatte zwar zur europäischen Musiktradition ein gespaltenes Verhältnis, doch bezog sich dies nicht auf Ludwig van Beethoven, dessen Werk er sein Leben lang verehrte. Die fünfte Sinfonie liebte er besonders, und deren Anfangsmotto bedeutete für ihn den Inbegriff des transzendentalen Geistes, den er immer wieder beschwor. Infolgedessen zieht sich das Zitat dieser vier berühmten Noten wie ein Motto durch Ives’ Musik und findet sich auch in der zweiten Sinfonie wieder.
Hugh Wolff und das Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt bieten eine ebenso frische wie durchdachte Interpretation von Ives’ Liebeserklärung an das ländliche Amerika des 19. Jahrhunderts – denn nichts anderes schuf der Komponist in dieser fünfsätzigen Sinfonie. Wolff fängt Ives’ Pioniergeist mustergültig ein – eine gehörige Portion Respektlosigkeit gehört unbedingt dazu, um den demonstrativ amerikanischen Charakter der Partitur angemessen zum Klingen zu bringen. Doch ebenso gelingt es ihm, das kontrapunktische Geflecht zu durchleuchten und die mannigfachen Zitate – aus der amerikanischen Folklore ebenso wie der europäischen Sinfonik – hörbar zu machen, ohne sie plakativ in den Vordergrund zu stellen. Unterstützt wird er dabei von einem ebenso warm tönenden wie tiefenscharfen Klangbild.
Das eigentliche Bonbon der CD ist jedoch ausgerechnet Beethovens Fünfte, von der bereits unzählige Einspielungen existieren. Wie heute oft üblich, wählt Wolff einen Mittelweg zwischen traditionellem, „philharmonischem“ Klangbild und einzelnen Errungenschaften der Originalklangbewegung: Er lässt die Streicher mit wenig Vibrato spielen und bevorzugt eine sehnige, messerscharfe Artikulation; die Violinen sind rechts und links vom Dirigentenpult postiert. Ventillose Naturhörner, Naturtrompeten sowie kleine Pauken ergänzen das ansonsten moderne Instrumentarium. So entsteht – mit durchweg fließenden, doch nie gehetzten Tempi – eine transparente und gleichzeitig lebendig atmende Darstellung des viel strapazierten Werkes, die sämiges Pathos erfolgreich vermeidet, es andererseits aber nicht nötig hat, mit jenen Schroffheitsexzessen aufzuwarten, wie sie die erste Generation der Originalklangbewegung bei dieser Musik oft praktiziert hat. Beethovens revolutionärer Geist ist hier angemessen abgebildet, ohne dass sich die erfreulich vielschichtige Interpretation allein auf diesen reduzieren ließe. Mit dieser Einspielung bekräftigen Orchester und Dirigent aufs Neue ihren Ruf als eines der erfolgreichsten Teams der deutschen Orchesterlandschaft.
Thomas Schulz

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