Genzmer, Harald

3. Sinfonietta

für Streichorchester, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2004
erschienen in: das Orchester 07-08/2005 , Seite 85

Fragte man nach den herausragenden Charakteristika der Musik Harald Genzmers, so bekäme man als Antwort wahrscheinlich die folgenden Attribute genannt: kraftvoll, robust, klar strukturiert. Und genauso präsentiert sich auch Genzmers 3. Sinfonietta für Streichorchester aus dem Jahr 2002. Die vier knappen und übersichtlich gezeichneten Sätze zeigen kantige Konturen, spielen mit den holzschnittartigen Farben der Streichinstrumente und können eine sehr zielgerichtete thematische Entwicklung ihr Eigen nennen.

Das einleitende Allegro weist – auch gerade durch die gliedernden Generalpausen – einen kräftigen Vorwärtsimpuls auf und kombiniert eine prägnante Chromatik mit einer kernigen Rhythmik, die vor allem auf das Unisono des gesamten Ensembles setzt. Tonrepetitionen und parallele Stimmführungen bewirken dabei den „Schub“ dieser Musik. Das Grave wird geprägt durch die ariosen Figurationen der ersten Violine, die sich von der geschlossenen Begleitung der übrigen Stimmen markant abheben. Der „Pizzicato“ überschriebene dritte Satz ist ein moderat bewegter Walzer, der in seiner Motorik jedoch durch zahlreiche gliedernde Pausen bisweilen absichtlich ein wenig gebremst wird und dadurch einen durchaus schattenhaften Charakter bekommt. Das Finale schließlich kehrt zur ungestümen Robustheit des Ausgangssatzes zurück, zeigt sich jedoch in der kontrastierenden Anlage der verschiedenen Stimmen klanglich sehr viel aufgeweiteter.

Spieltechnisch bewegen sich alle fünf Stimmen auf einem maximal mittleren Schwierigkeitsniveau, den Tonumfang als auch Rhythmus und Tempo betreffend. Der Reiz bei einer Aufführung von Genzmers Sinfonietta wird ganz gewiss in der Herausarbeitung der klanglichen Konturen und Kontraste liegen, weswegen ein äußerst sauberes Zusammenspiel des Ensembles und eine nachdrücklich gestaltende Tongebung erste Priorität haben werden. Dabei sind die Vortragsangaben des Komponisten im Notentext äußerst zurückhaltend gesetzt. Eine minutiöse Klangregie, die die Bewegungen und Kontraste in Genzmers Musik freilegt, muss von jeder Stimme, vom ganzen Ensemble getragen werden. Es mag viele „Lösungsmöglichkeiten“ bei der Interpretation dieser Streichersinfonietta geben, allen gemeinsam muss jedoch der unbedingte Wille zu lebendiger Modellierung und akzentuierender Beweglichkeit sein.

So sauber wie sich das Notenbild der in der Edition Schott herausgekommenen 3. Sinfonietta von Harald Genzmer dem Leser präsentiert, so plastisch müssen die vier Teile des Werkes von den gleichsam als musikalische Bildhauer wirkenden Streichern ausgearbeitet werden.

Daniel Knödler