Alard, Delphin
24 Études Caprices
für Violine op. 41, hg. von Klaus Hertel
Ganz und gar der französischen Tradition verhaftet ist der Geiger Jean-Delphin Alard (1815-1888). Bereits als Zwölfjähriger studierte er bei Habeneck am Pariser Konservatorium, wo er später die Nachfolge Baillots
antrat. Als wohl bekanntesten Schüler brachte er Pablo de Sarasate hervor.
Vielleicht ist es gerade diese Tradition, die Alards kompositorisches Schaffen bisher eher an den temporalen sowie lokalen Rand von Überäumen drängte. So kennt doch jeder Violinist die Standards von Viotti, Kreutzer, Dont, Rode und Mazas, nicht aber die Alards
Zeit wird es, die Reihe zu erweitern! Getrost können hier die 24 Études Caprices eingereiht werden. Klaus Hertel hat diese in der Schott-Reihe Essential Exercises neu herausgegeben. Er stellt Geigern hiermit wunderbare Studien zur Verfügung, die in erster Linie klangvoll sind und nebenbei spezifische technische Herausforderungen beinhalten. Letztere kommen dabei nie musikalisch nackt daher stets sind sie in stimmungsvolle Melodien eingebettet. Und Spieltechnik lernt und lehrt sich nun mal umso besser, je musikalischer sie ist.
Alards Caprices wandern einmal um den Quintenzirkel: Das erste Stück beginnt in C-Dur, daran schließt das nächste in der Paralleltonart a-Moll an, das dritte ist in G-Dur notiert und so weiter, bis das letzte schließlich in d-Moll steht. Eine willkommene Ergänzung also zu Tonleiterstudien. Die Sammlung enthält im besten Sinn Vortragsstücke, die mehr Capricen als Etüden zwar jeweils eine technische Schwierigkeit in den Mittelpunkt stellen, jedoch aus dem musikalischen Zusammenhang heraus immer auch unterschiedliche Techniken vom Spieler fordern. Das Niveau ist fortgeschritten: Ricochet, Gruppenstaccato, Spiccato und Saitenwechsel sind inhaltliche Stichpunkte zur Bogentechnik; Doppelgriffe, Geläufigkeit, Chromatik und Lagenwechsel sind stellvertretend zur Linke-Hand-Technik zu nennen. Auch wenn sich der Schwierigkeitsgrad der Caprices bei Weitem nicht mit dem der Paganinischen messen lässt, so wird Spielern doch ein im Ganzen hohes spieltechnisches Niveau abverlangt. So unterschiedlich die einzelnen Techniken der Stücke sind, so unterschiedlich sind auch deren Gesten und Charaktere, die vom Walzer über Tempo di marcia und Allegro con eleganza bis hin zum Bolero reichen.
Die neue Ausgabe enthält begrüßenswerte, sehr geigerische Fingersätze, die recht bequem liegen und in ihrer Umsetzung dem Klangideal eines möglichst fließenden, ununterbrochenen Tons näher kommen. Hertel schreibt im Vorwort, dass es zu vermeiden sei, mit demselben Finger auf einer anderen Saite in eine neue Lage einzuspringen und bietet daher geschmeidigere Wechsel an. An dieser Stelle ist allerdings offenbar ein kleiner editorischer Fehler unterlaufen: Ab dem dritten Notenbeispiel im Vorwort scheinen die ursprünglichen mit den neuen Fingersätzen versehentlich vertauscht worden zu sein. Dies ist inhaltlich marginal, jedoch für Vorwortleser gut zu wissen.
Katharina Bradler