Schloßmacher, Norbert (Hg.)

100 Jahre Beethoven Orchester Bonn

Impressionen aus einem Jahrhundert Orchestergeschichte

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Stadt Bonn/Stadtarchiv, Bonn 2007
erschienen in: das Orchester 06/2008 , Seite 56

Es liegt nahe, das „Hundertjährige“ eines städtischen Orchesters mit ausführlichen historischen Materialsammlungen zu begleiten, doch das Bonner Stadtarchiv wollte es ambitionierter. Man veröffentlichte eine kompakte, 120 Seiten starke Jubiläumsschrift (davon allein 30 Seiten Fototeil), deutete aber im Untertitel – „Impressionen“ – schon an, dass man dem Lexikalischen nicht allzu viel Raum geben mochte. Zu diesem Zweck bat man Autoren wie Peter Gülke (Dirigent, Musikwissenschaftler und Buchautor), Manfred Osten (Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung) oder Günther Massenkeil (emeritierter Ordinarius der Bonner Musikwissenschaft), sich zum Jubiläum Gedanken zu machen. Herausgekommen sind kleine, teils nicht unkritische Beiträge.
So wird hier immer wieder angesprochen, wie wichtig Beethoven für die Stadt Bonn war und ist, im positiven wie im negativen Sinn. Man erfährt, dass Ludwig van Beethoven in kurfürstlicher Zeit hier Kapellmeister war, und zwar von 1761 bis 1773. Das war aber des Meisters Großvater; Ludwig selbst war von 1783 bis 1792 als Organist und Bratscher Mitglied der Bonner Hofkapelle. Verblüffend ist, dass Bonn dieses einmalige Erbe später schnöde verschmähte und die Bürgerschaft es über hundert Jahre lang noch nicht einmal fertig brachte, ein eigenes Orchester auf die Beine zu stellen (von einem Konzerthaus ganz zu schweigen) – und zwar aus kulturellem Desinteresse, wie bei Manfred Osten nachzulesen ist, denn Geld hatte diese aufstrebende, wohlhabende Stadt im19. Jahrhundert genug!
Doch das hat Bonn in seiner wechselvollen Geschichte wieder gutzumachen versucht. Es wurde ja über Nacht Hauptstadt – und verlor wiederum über Nacht diesen Status an Berlin, ohne deshalb in Dunkelheit zu versinken. Diese heikle Problematik wird fein erläutert von Heinz-Dieter Terschüren in seinen beiden chronologisch angelegten Beiträgen über die Bonner Kapellmeister von Heinrich Sauer über Volker Wangenheim bis zu Roman Kofman und über die Rolle des Orchesters in der Bonner Oper. Das Musiktheater der einstigen Hauptstadt, seinerzeit oft als aufgeblähtes Prestigeobjekt wahrgenommen, wäre allerdings einer eigenen kritischen Betrachtung wert, die hier nur in Ansätzen vorgenommen wird.
So ist in dieser facettenreichen Jubiläumsveröffentlichung viel angerissen, viel Schönes von den Erfolgen und Sternstunden, viel Erheiterndes über das Binnenleben eines solchen „Klangkörpers“ bei Emil Platen in seinem Beitrag: „Einblicke eines Außenstehenden“, auch Kritisches über den Umgang der Stadt mit Beethoven und seinen Zeitgenossen und Tiefsinniges über die Musik eines anderen Komponisten, der in enger Beziehung zu Bonn stand: Robert Schumann (Gülke).
Wenig Erhellendes allerdings erschließt sich über die Zeit zwischen 1933 bis 1945. Es sei vieles wissenschaftlich noch nicht untersucht worden, so heißt es. So weiß man bis heute wenig über die Rolle des Bonner Musikdirektors von 1933 bis 1949 Gustav Classens, über den Einfluss der Pianistin Elly Ney auf die Kulturpolitik unter dem Hakenkreuz und den spektakulären Auftritt des später von den Nazis hingerichteten Pianisten Karlrobert Kreiten im Jahr 1943 in Bonn. Da ist offensichtlich noch viel zu tun.
Volker Bungardt