Werke von Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms und Arnold Schönberg

#1: String Quartet No. 11 in f-Moll op. 95/#2 String Quartet No. 2 in G-Dur op. 111/#3 Verklärte Nacht – String Sextet op. 4

Stuttgarter Kammerorchester, Ltg. Thomas Zehetmair

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: SK records
erschienen in: das Orchester 6/2024 , Seite 70

Mit drei seit Herbst 2023 in kurzer Zeit veröffentlichten und bei Streaming-Anbietern verfügbaren Alben startete das Stuttgarter Kammerorchester eine Tonträger-Reihe im eigenen Label SK records als CD und auf Vinyl. Die Aufnahmen entstanden seit 2020 im Mozart-Saal der Liederhalle Stuttgart und in der Musikhalle Ludwigsburg. Die Papierverpackung der CD, die inhaltlich prallen Booklets und die Fotostrecken können sich sehen lassen: Porträts einzelner Spieler:innen und Detailaufnahmen zeigen, dass man sich als intensiv und intellektuell an der Musik arbeitende Geistes- und Spielgemeinschaft versteht. Das Submenü „Diskografie“ seiner Website zeigt die programmatische Erweiterung des Stuttgarter Kammerorchesters von der Alten Musik unter Karl Münchinger über die bei ihrem Erscheinen gefeierten Jommelli-Aufnahmen in die Eroberung der musikalischen Gegenwart unter seinem Ehrendirigenten Dennis Russell Davies deutlich. Es wird spannend, ob und wie man die derzeitigen innovativen Projekte mit Virtual und Augmented Reality, Künstlicher Intelligenz und Hologramm-Konzerten aufzeichnen wird. CD #4 erschien Anfang März mit einem Mozart-Programm.
Die ersten drei CDs runden sich zum auditiven Selbstporträt mit Paradestücken von der späten Wiener Klassik bis zum späten 20. Jahrhundert. Sie beeindrucken durch sehr überlegte Interpretationen. Durch diese behauptet das Stuttgarter Kammerorchester hohe Eigenständigkeit neben anderen Streichquartetten und Stücken für Streicher in chorischer Besetzung. Vor allem die Deutung von Schuberts Streichquartett Nr. 14 Der Tod und das Mädchen überrascht. Erst wirkt der hell timbrierte und drastisch geheimnislose Glanz der instrumentalen Führung im ersten Satz „gegen den Strich“ und fast sakrilegisch. Doch dann eröffnet sich hinter dem überaus zügigen Tempo und der liedhaft klaren Freudigkeit ein Hintergrund, der das Gegenteil des intonierten Ausdrucks bedeutet. Der zweite Satz akzentuiert sich bei aller Leichtigkeit doch martialisch und der dritte gleicht dem betont zwanglos schlichten Schritt über die Schwelle. Auch Arnold Schönbergs Verklärte Nacht entfaltet sich hier nicht allzu üppig. Die somnambul-erotische Schwüle der Komposition ist mit minimal vibrierender Nervosität durchsetzt.
Die Werke von Beethoven und Brahms stehen auf hohem Niveau und zeichnen sich durch eine vergleichbar schattenfreie wie deutliche Transparenz aus. Béla Bartóks Divertimento für Streichorchester erklingt mit sehr kantabler und emphatisch ausschwingender Dichte. John Adams’ Shaker Loops für Streichorchester (1983) beinhaltet eine weitere Überraschung: Dem Vortrag geht es nicht um minimalistische Hypnotik, sondern um leichte Schärfen durch eine überaus klare Tongebung.
Roland Dippel