Les Ballets russes, Vol. 5

Manuel de Falla: El sombrero de tres picos / Serge Prokofiev: Chout

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic 93.253
erschienen in: das Orchester 06/2010 , Seite 70

Die Pioniertaten des russischen Impresarios Sergei Diaghilew und seiner Ballets russes prägen auch die fünfte Folge der gleichnamigen CD-Serie. Diesmal werden mit Manuel de Fallas Dreispitz ein seit der Londoner Uraufführung 1919 durchgängig erfolgreiches und mit Sergej Prokofjews Chout (Premiere 1921 in Paris) andererseits ein heute wenig bekanntes Werk kombiniert.
Die knapp 40-minütige Wiedergabe des spanischen Werks von der tugendhaften Müllerin, das seinerzeit in der Choreografie von Leonid Massine, mit der Ausstattung von Pablo Picasso und unter dem Dirigat von Ernest Ansermet aus der Taufe gehoben wurde, setzt durchaus Maß­stäbe. Der am Mozarteum ausgebildete Freiburger Opernchef Fabrice Bollon und das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg agieren mit großer rhythmischer Verve, sinnlicher Melodiegebung und mediterraner Leichtigkeit, und auch die spanische Sopranistin Ofelia Sala vermag bei ihren zwei kurzen Partien mit kristallklarer Intonation zu überzeugen. Besonders raffiniert gelingt die „Danza del molinero“ mit ihren verblüffenden Stimmungswechseln.
In Prokofjew sah Diaghilew einen zweiten, jüngeren Strawinsky, den er einmal als „wildes Tier“ titulierte und von dem er russisch geprägte Werke erwartete, mit denen die Ballets russes an die sensationellen Erfolge vor dem Ersten Weltkrieg, namentlich an Strawinskys legendären Sacre du printemps, anknüpfen konnten.
Ohne Frage zählt der Narr zu Prokofjews anspruchsvollsten Partituren: Rhythmische Rigorosität, hochdifferenzierte, mitunter ins Groteske oder Drastische gesteigerte Klanglichkeit sowie eine weit über Folkloristik hinausreichende russische Färbung von Melodik und Harmonik fesseln und bewegen den Hörer in jedem der zwölf Sätze. Das surrealistisch-grausame Märchen vom Dorfnarren, der sieben Tölpel mit einem bösen Streich überlistet, sich zum Schutz vor Rache als seine eigene Schwester verkleidet und dem durchreisenden lüsternen Kaufmann statt seiner selbst eine verkleidete Ziege im Schlafzimmer hinterlässt, die dieses Abenteuer mit ihrem Leben bezahlt – es bietet gewiss genügend Spielraum für eine musikalische Erzählkunst, die offenbar auch ohne die optische Komponente des Tanzes auskommt.
Der 1976 geborene ukrainische Dirigent Kirill Karabits, Chef des Bornemouth Symphony Orchestra, führt das SWR-Orchester mit großer Präzision und ausgewogenem Klangsinn durch die in allen Instrumentengruppen hochvirtuose Partitur – eine Bravourleistung aller Beteiligten.
Rainer Klaas

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