Hölszky, Adriana / Wolfgang Ludewig

Licht und Schatten

Werke für Klavier und Violine

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Neu Klang NCD4043
erschienen in: das Orchester 06/2010 , Seite 68

Das CD-Label „Neu Klang“ widmet sich „Neuartigem“ und „Unerhörtem“, wie auf der Website zu lesen ist. Es hat höchste Ansprüche an „Klang, Transparenz und Eigenständigkeit“. Die neue Einspielung mit Musik von Adriana Hölszky und Wolfgang Ludewig löst dieses Versprechen in vieler Hinsicht ein.
Das Klangbild zeichnet sich nicht nur durch Transparenz, sondern eine fast schon hyperrealistische Klarheit aus. Das ist erstaunlich und befremdend zugleich: befremdend, da hier in der Tat Alltagsgeräusche, etwa ein Schmatzen, so isoliert werden, dass sie als Klangfarbe wirken.
Dem Hörer bleibt darüber das Lachen im Hals stecken. Die Klangästhetik ist insgesamt klinisch, trocken. Dadurch lehrt sie das genaue Hinhören, das Staunen über neuartige Klänge und ungewöhnliche Tongegenüberstellungen. Doch die Emotionen bleiben unterkühlt.
Das freilich ist die Absicht der beiden Komponisten. Sie wecken das Bewusstsein für das Detail, das genaue Hinhören. Die einzelnen Sätze in Ludewigs Expressioni und Licht und Schatten sind Miniaturen, die das, was mit Musik zu sagen ist, auf das Wesentliche reduzieren. Wer genau hinhört, wird von der Eindringlichkeit dieser Musik zutiefst berührt. Die Titel der einzelnen Sätze erschließen sich nur schwer beim ersten Hören, sie fordern zum Nachdenken auf. Warum heißt der 1. Satz von Espressioni „Ironie“? Wie sagt hier die Musik das Gegenteil von dem, was sie meint? Etwa in dem sie hart beginnt und lyrisch-weich endet?
Adriana Hölszky geht noch weiter als Ludewig. Sie baut Geräusche und Verfremdungen ein. Motive aus Werken von Franz Liszt erklingen im Hörfenster für Franz Liszt neben einem merkwürdig beunruhigenden Klirren. Die Violine lässt Snowbirds seltsam quietschen, und in den Klangwaben produziert die Violine verstörende, aber auch komisch wirkende Geräusche und Rhythmen. Dass die Komponistin zu diesem Stück von einer wissenschaftlichen Studie über Bienensignale angeregt wurde, erläutert dankenswerterweise das Beiheft dem zunächst ratlosen Hörer. Beim Wiederhören achtet er auf die komplizierten Zeitstrukturen und lernt, dass Musik auch anders, ohne Melodien und Klänge, komponiert werden kann.
Dass diese „unerhörte“ Musik in ihren Bann zieht, verdankt diese Einspielung auch den Interpreten. Die Pianistin Carol Morgan erfreut nicht nur durch einen präzisen Anschlag, dem es gelingt, komplizierte Klangtrauben klar zu artikulieren, sondern auch durch eine differenzierte Gestaltung eines jeden einzelnen Tons. Darüber hinaus ist sie eine Meisterin im Produzieren verfremdeter, also neuer Klavierklänge. Auch Monika Hölzky-Wiedemann genießt es, ihrer Geige Geräusche und Rhythmen zu entlocken, wie sie bislang nicht für möglich gehalten wurden. Sie tut dies mit großer Klangästhetik, sodass aus ihnen Musik wird.
Franzpeter Messmer

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