Pfitzner, Hans

Palestrina

Mitschnitt aus dem Nationaltheater München, 2 DVDs

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Euroarts 2072528
erschienen in: das Orchester 02/2011 , Seite 79

Von den musikdramatischen Arbeiten Hans Pfitzners hat sich nur sein Palestrina auf der Bühne behaupten können, ungeachtet der hohen musikalischen, aber auch inszenatorischen Anforderungen. Trotz mancher Versuche in der jüngeren Vergangenheit mit Pfitzners weiteren Opern wie Der arme Heinrich, Die Rose vom Liebesgarten oder Das Herz steht deren Wiederentdeckung noch aus. Die berüchtigten antimodernistischen, nicht selten mit antisemitischen Untertönen versehenen Tiraden Pfitzners haben indes nach 1945 die Wiederbeschäftigung mit Pfitzners umfangreichem Œuvre – Palestrina bildet hier eine Ausnahme – zumindest behindert. Der DVD-Mitschnitt von 2009 der „Musikalischen Legende“ Palestrina aus dem Münchner National­theater – in München war das Werk 1917 im Prinzregententheater erfolgreich unter Bruno Walter uraufgeführt worden – macht sowohl die hohen Anforderungen als auch die Probleme einer inszenatorischen Annäherung an die Oper als auch deren adäquate musikalische Realisation deutlich.
Trotz der durchaus überzeugenden Dirigentin Simone Young am Pult des aufmerksamen Bayerischen Staatsorchesters und eines ausgeglichenen Sängerensembles denkt man etwas wehmütig an die jüngst von Brilliant Classics (3 CDs 9093) wiederveröffentlichte Ersteinspielung der Oper unter Rafael Kubelik mit dem überwältigenden Stilisten Nicolai Gedda in der Titelpartie an der Spitze eines souveränen Ensembles zurück.
Andererseits hat das heutige Regietheater mit dem Künstlerdrama, für das Pfitzner selbst das Libretto schrieb, seine Liebe Not. Auch Christian Stückl, der 2010 erneut erfolgreich in Oberammergau inszenierte, bildet da keine Ausnahme. Das Drama um Palestrina, der die Freiheit des Komponisten vor dem autoritären Zugriff der Kirche vor dem Hintergrund des Triester Konzils zu retten versucht, wird von Stückl und seinem Ausstatter Stefan Hageneier in eine satte Farborgie gepackt, die zur Durchdringung des Werks wenig beiträgt. Ein wirkliches Konzept oder eine intensive Auseinandersetzung mit dem Künstlerdrama oder auch dem Verhältnis des Künstlers zur Macht, durch Stoff und Person des Komponisten legitimiert, findet nur in Ansätzen statt.
Unter Youngs Leitung kostet das insgesamt geschmeidig-klangschön musizierende Orchester zwar nicht jedes Detail der Partitur aus, dafür setzt die Hamburger Generalmusikdirektorin auf eine ansprechende große Linie. Christopher Ventris singt mit markantem Helden­tenor einen differenzierten, singdarstellerisch ansprechenden Palestrina. Machtvoll gestaltet Michael Volle den Morone, ebenso überzeugend ist Roland Bracht als Kardinal Madruscht, Borromeo wird von Falk Struckmann mit imponierender Wucht und rollengerechter Brutalität versehen. Als abtrünniger Schüler Silla des Komponisten Palestrina ist Claudia Mahnke ebenso rollendeckend besetzt wie Christiane Karg in der Hosenrolle von Palestrinas Sohn. Weniger Freude als die Sängerbesetzung macht indes die Pressqualität der DVD, wobei die zweite vor lauter Aussetzern kaum abspielbar ist.
Walter Schneckenburger

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