Glanert, Detlev
Caligula
2 CDs
Nach Opern nach Grabbe (Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung) oder Der Spiegel des großen Kaisers nach Arnold Zweig hat sich der Komponist Detlev Glanert eines Schauspiels von Albert Camus als Grundlage seiner Oper Caligula angenommen. Für das Libretto zeichnet Hans-Ulrich Treichel verantwortlich. Der unter anderem bei Hans Werner Henze ausgebildete Komponist zeigt sich einerseits Gustav Mahler und Maurice Ravel verbunden, verfügt andererseits über großes kompositionshandwerkliches Vermögen, das ihm hilft nahezu alle Techniken der Moderne und der Avantgarde zu beherrschen.
Camus Schauspiel Caligula, 1945 in Paris uraufgeführt, muss zwar auch vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des gerade niedergerungenen deutschen Faschismus und seiner Massenmorde und des noch existenten stalinistischen Terrorregimes gesehen werden, ist aber kein Zeitstück im engeren Sinn. Bei Camus betrifft die Brutalität des Diktators vor allem seine engere Umgebung, nicht wie bei Hitler, Stalin oder Mao Millionen der Gewalt hilflos ausgesetzte Menschen. Camus zeichnet das Bild eines Gewaltherrschers nach, der letztlich an der eigenen Machtausübung scheitert. Die Oper beginnt mit dem entmenschlichten Schrei Caligulas, der nach dem Tod seiner geliebten Schwester Drusilla ein für seine Umgebung tödliches Terrorregime perfektioniert. Caligula agiert als der einzige freie Mensch, wobei Freiheit hier Vernichtung bedeutet. Am Ende stirbt Caligula durch die Dolchstöße des Kollektivs, die Vorstellung einer absoluten Freiheit eines Einzelnen muss hier in der Vernichtung enden.
Der nun vorliegende Mitschnitt der Uraufführung des Auftragswerks der Frankfurter Oper (und der Oper Köln) aus der Mainmetropole vom 7. Oktober 2006 unterstreicht einmal mehr den Rang der Frankfurter Oper, die jüngst mit der deutschen Erstaufführung von Aribert Reimanns Medea ihre Einsatzbereitschaft für das Musiktheater der Gegenwart unterstrich. Dass Caligula nach Anmerkungen von Glanert auf einem komplexen 25-tönigen Akkord basiert, ist beim Hören zwar nicht nachvollziehbar, dass dem Orchester nach den Worten des Komponisten die Mitten herausgestrichen wurden es gibt nur Höhen und Tiefen hingegen schon.
Im Zentrum des aufnahmetechnisch sehr überzeugend geratenen Mitschnitts steht der Bariton Ashley Holland in der Monsterpartie des Caligula. Wie er sing-darstellerisch das Abgleiten des römischen Kaisers in den Wahnsinn lebendig werden lässt, gehört zu den Höhepunkten der Oper. Aus dem hervorragenden Ensemble der Frankfurter Oper sei stellvertretend Michaela Schuster mit dramatischem Aplomb genannt.
Markus Stenz präsentiert sich am Pult des reaktionsschnellen und sehr konzentriert agierenden Frankfurter Opern- und Museumsorchesters als nahezu idealer Interpret der für großes Orchester gesetzten Partitur. Stilistisch mischt sich hier vieles, von Strauss- und Schreker-Anklängen bis hin zu den wuchtigen Perkussionsausbrüchen, die an Strawinsky gemahnen. Dennoch ist das Werk nicht eklektisch zu sehen, die Übersicht, die der Komponist beim Einsatz der Mittel walten lässt, findet sich auch bei Stenz und seinen Orchestermusikern.
Walter Schneckenburger