Frantz, Justus

50 einfache Dinge, die Sie über Musik wissen sollten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Westend, Frankfurt am Main 2009
erschienen in: das Orchester 02/2010 , Seite 62

„Fünfzig einfache Dinge, die es wert sind, über klassische Musik gewusst zu werden“: Sie will der bekannte Pianist und Dirigent Justus Frantz in einem Buch beschreiben, das gegen die bei manchen Menschen bestehenden „Berührungsängste mit klassischer Musik“ wirken und auch bei Kennern das „wissende und verstehende Hören“ vertiefen soll.
Sagen wir es offen: Glücklich macht das Resultat nicht. „Er hat sich bemüht“, möchte man über das Ergebnis sagen, wobei diese Formel in Arbeitszeugnissen bekanntlich eher Tadel als Anerkennung bezeichnet. Um nicht missverstanden zu werden: Es geht hier nicht um ein verbreitetes, von intellektuell-snobistischer Ebene aus betriebenes Justus-Frantz-Bashing, das dem Pianisten und Dirigenten seine Bemühungen um Popularisierung klassischer Musik – wie einst in der ZDF-Sendung “Achtung! Klassik” – übel nimmt. Aber der erhobene Anspruch und dessen Einlösung klaffen doch weit auseinander. Mit „Was ist…?“ oder „Was sind…?“ sind die meisten Kapitel überschrieben, doch in den seltensten Fällen hat man am Schluss das Gefühl, eine befriedigende Antwort erhalten zu haben, ja, wer nicht schon eine gute Vorstellung von den erklärten Fachbegriffen hat, bleibt eher verwirrt zurück.
Im Grundsätzlichen hapert es am meisten: Bei Wörtern wie „Motiv“, „Thema“, „Melodik“, „Metrum“, „Rhythmus“ oder „Harmonielehre“ liest man neben Gelungenem auch sehr viel Unbeholfenes und Verquollenes. Nur ganz wenige Beispiele für viele: Was soll der Leser darunter verstehen, dass „eine Melodie aus mehreren Themen gebildet“ ist, was fängt er mit dem Satz an: „Ein weiteres Thema der Harmonielehre ist der Kontrapunkt“? Solcher schiefer Formulierungen ist Legion. Da wundert es dann auch nicht mehr, wenn im Weiteren die Gamben mal wieder zu bloßen „Vorläufern“ der Geigen deklariert werden oder „Andante“ stets mit „andächtig“ übersetzt wird.
Begrüßenswert ist immerhin Frantz’ Ansatz, historisch vorzugehen, weil Begriffe einem Wandel unterliegen. Wenn daraus aber bloß ein kursorisches Erwähnen individueller Eigenheiten großer Komponisten wird, wirkt das wieder dürftig. Die Hauptfrage bleibt jedoch, welche Zielgruppe ein Buch im Auge hat, das zum einen vom bloßen Liebhaber oft schon zu vieles als vermeintlich selbstverständlich voraussetzt, während zum anderen der Kenner die Klärung absoluter Grundbegriffe ohnehin nicht braucht.
Vieles hat Frantz fleißig zusammengetragen, auch mit bildungsbürgerlichem Anspruch jede Menge an Zitaten von Musikern und Denkern, wenig aber bewältigt. Fraglos: Am authentischsten formuliert er immer dann, wenn er eigene Musikeindrücke beschreibt oder plaudernd zu biografischen Erinnerungen abschweift, etwa wenn er sich über die zweifelhaften Autofahrkünste von Leonard Bernstein auslässt. Vielleicht hätte Justus Frantz mit viel mehr Gewinn für den Leser ein von solchen Erlebnissen handelndes persönliches Buch vorgelegt?
Gerhard Dietel
 

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