Nicolas Altstaedt
Schumann Tchaikovsky Gulda
Sein 2007 veröffentlichtes CD-Debüt ließ aufhorchen: Hier präsentierte sich der junge Cellist Nicolas Altstaedt mit einer Komponistenauswahl Bach, Ligeti, Strawinsky, Webern, Beethoven , die sich wohltuend abhob von so mancher Hitliste, mit der junge Solisten häufig den Markt zu erobern trachten. Dass wir es mit einem Musiker zu tun haben, dessen Ziele über das Erzeugen schöner Töne, die Zurschaustellung brillanter Technik und das Wiederkäuen eines immergleichen Werkkanons hinausgeht, wurde sogleich evident. Die renommierte Zeitschrift “the Strad” schrieb: Nicolas Altstaedt is already much more than promising.So erstaunt beinahe, dass dieser Künstler seine Diskografie in der sich etwa Ersteinspielungen von Werken Gabriel Piernés und Vincent dIndys finden nun erweitert durch drei Werke, die bei aller Unterschiedlichkeit eines verbindet: Es handelt sich mitnichten um Nischenbewohner. Doch sollten wir hierüber nicht beckmessern. Kein junger Musiker, der ernsthaft und mit Erfolgsaussicht auf den solistischen Markt zielt, kommt daran vorbei, sich mittels der Standardwerke des Repertoires zu beweisen und sich der Konkurrenz zu stellen.
Dass Altstaedt über enorme technische Möglichkeiten und einen ausgeprägten Gestaltungswillen verfügt, belegt diese CD ohne Zweifel. Da ist nicht eine Phrase, nicht ein einziger Ton, der Schwächen oder Unkontrolliertheiten offenbarte. Mögen die interpretatorischen Resultate nicht jedermanns Geschmack treffen, eindrucksvoll sind sie allemal. Sein Spiel stellt geradezu eine Gegenposition zu jenem Einheitsbrei früherer Jahrzehnte dar, aus dem uns Musiker wie Gidon Kremer und Nikolaus Harnoncourt (nicht zufällig zählt Altstaedt sie zu seinen Vorbildern) befreit haben. Indes: Einst sehnten wir uns nach interpretatorischen Zuspitzungen aller Art, nun fehlt uns gelegentlich ein bisschen Mitte, der schöne Ton! Diesen zwiespältigen Gesamteindruck hinterlässt Altstaedts Version des Schumann-Konzerts, bei aller Faszination, die von seinem Spiel ausgeht: Es mangelt nicht an Attacke, an Rauheit, an bebenden Gefühlsregungen, an sehniger Linienführung, an sensitiv-zurückgenommenen Momenten und all dies gehört zum komplexen Wesen des Stücks. Allein: Wir hören einen dezidiert modernen und zugleich von Klangvorstellungen der historischen Instrumente geprägten Schumann. Wer Wärme sucht, wird sie hier kaum finden. Anders liegen die Dinge bei Tschaikowskys Rokoko-Variationen: Die Kombination von Altstaedts Draufgängertum mit dem eher herben Klang seines Lupot-Cellos (Paris 1821) überzeugt absolut. Nicht minder grandios die Präsentation des trashigen Gulda-Konzerts, dessen Witz indes erste Abnutzungserscheinungen zeigt.
In allen Lebenslagen erweist sich die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit dem Dirigenten Alexander Joel als zuverlässige Partnerin. Die Verpflichtung des Schweizer Literaten Étienne Barilier als Bookletautor kann nur bedingt als Glücksgriff betrachtet werden.
Gerhard Anders


