Händel, Georg Friedrich

Acis und Galatea

(Version Mendelssohn Bartholdy)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Carus 83420
erschienen in: das Orchester 07-08/2009 , Seite 70

Händel-Jahr; Mendelssohn-Jahr: Welchen besseren Anlass könnte es geben, um beide Meister zusammenzubringen und zu zeigen, welche Bedeutung auch Händel für Mendelssohn hatte, welche Kräfte Mendelssohn aus Händels Musik schöpfte. Die erste Aufnahme von Mendelssohns Bearbeitung von Händels allzeit populärer Mini-Oper “Acis and Galatea” gibt nicht nur zu hören, wie intensiv sich Mendelssohn in die Welt Händels einlebte, sondern auch, welche schiere musikalische Lust aus dieser Begegnung der Epochen entstanden ist. Ein großartiges musikgeschichtliches Dokument, ungemein spannend anzuhören.
Der Musik Händels begegnete Felix Mendelssohn Bartholdy als Mitglied der Berliner Singakademie. Für eine Aufführung mit dieser Akademie 1828/29 arrangierte Mendelssohn “Acis and Galatea” für eine größere und stärkere Besetzung. Er ergänzte an ausgewählten Stellen die bei Händel fehlende Bratschen-Stimme und reicherte den Satz in den Bläsern deutlich an: mit zwei Klarinetten, vier Flöten, zwei Hörnern, Trompeten und Pauken. Fanny Hensel, Mendelssohns Schwester, verfasste den deutschen Text als Nachdichtung des englischen Librettos. Mendelssohn griff auch in die Faktur ein: Etliche Da-capi ließ er aus, für die Rezitative schrieb er eine Streicherbegleitung.
Diese Ersteinspielung der Mendelssohn-Fassung von Händels so unwiderstehlich charmanter und bildkräftiger „Masque“ stammt von den Göttinger Händel-Festspielen 2008. Im Chor singen 50 Damen und Herren; das Orchester, auf Originalinstrumenten, besteht aus 38 Musikerinnen und Musikern. Es entsteht ein ungemein farbiger, kräftiger, festlicher Klang, und trotzdem bleibt er duftig, transparent und durchhörbar. Händel bleibt Händel; seine Musik spricht dieselbe Sprache, aber in einem anderen Dialekt. Die Zufügungen sind jederzeit in Musik und Text begründbar; etwa der Paukenwirbel, als der Riese Polyphem den Schäfer Acis erschlägt.
Vielleicht noch mehr als auf die Bearbeitungspraxis zu Mendelssohns Zeit wirft diese exzellente Aufführung ein Licht auf die Aufführungspraxis für Mendelssohns eigene Musik: Artikulation und Klangfarben der „romantischen“ Mittel verbinden sich nahtlos mit der barocken Musik, geben ihr Tiefe und Raum. Es ist mehr als plausibel, dass Mendelssohn auch für seine eigenen Werke einen solchen Klang gewünscht und geplant haben muss. So ist Acis and Galatea auch für Mendelssohns Musik eine wichtige Entdeckung.
Im Solistenquartett brilliert Julia Kleiter mit ihrem runden, strahlenden, bombenfest intonierenden Sopran – kein Wunder, sie ist längst der neue Star der Opernbühnen. Die Herren Christoph Prégardien, Michael Slattery und Wolf Matthias Friedrich machen ihre Sache sehr anständig, aber nicht ganz auf dem Niveau ihrer Kollegin. Vorbildlich, wie der großbesetzte NDR-Chor wuchtigen Klang produziert und die Details und Figurationen des Satzes hörbar macht. Der Händel-Fan kann sich an einer weiteren, voll gültigen Fassung von “Acis and Galatea” freuen, der Mendelssohn-Freund erfährt viel Neues über den Geist dieses Komponisten.
Laszlo Molnar

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