Busoni, Ferruccio
Concerto for Piano and Orchestra with Male Choir in C major op. 39
Auf dem kleinen Künstler-Friedhof in Berlin-Friedenau befindet sich das Ehrengrab für einen der größten Künstler des 20. Jahrhunderts, den Komponisten und Pianisten Ferruccio Busoni. Seine schlichte Gedenkstätte wird geschmückt durch eine Plastik von Georg Kolbe. Der hochgebildete, in Italien geborene Europäer Busoni hatte sich 1894 Berlin zur Wahlheimat erkoren und lebte dort vom Ersten Weltkrieg abgesehen bis zu seinem Tod 1924.
1904 beendete er sein gigantisches, fünfsätziges Klavierkonzert op. 39, das gleichsam einen Gipfel- und Endpunkt spätromantischer Sinfonik bildet, und bestritt noch im selben Jahr dessen Uraufführung mit den Berliner Philharmonikern unter Karl Muck. Er verwendete dabei auch Volksmelodien aus seiner italienischen Heimat. Zum vierten Satz, AllItaliana. Vivace schrieb er 1902 an seine Frau:
diese Tarantella, die auf das Adagio folgt, ist wie wenn man aus dem Forum in eine Volksstraße von Rom geräth. Oder wie ein Volksfest, das vor dem Pantheon losgelassen wird.
In den letzten Satz integrierte der Komponist einen Männerchor, dessen feierlich verklärter Part auf einem Text des dänischen Dichters Adam Oehlenschläger (in deutscher Übersetzung) beruht. Dieser wird in der vorliegenden Aufnahme vom Ernst Senff Chor Berlin zusammen mit dem Philharmonischen Chor Neubrandenburg gesungen. Das Orchester ist ebenfalls in diesem Ort ansässig, einer Stadt mit heute etwa 70000 Einwohnern in Ostmecklenburg-Vorpommern, die von Fritz Reuter einst als Perle bezeichnet und von Caspar David Friedrich gemalt wurde.
Solist des Konzerts ist der 1973 in Milano geborene Pianist Pietro Massa, der seit 1999 in Berlin lebt und die Stadt ebenfalls zu seiner Wahlheimat gemacht hat. Der Dirigent Stefan Malzew ist seit 2001 GMD des Orchesters. Die Aufnahme beruht auf einem Konzert vom Januar 2008 in der in Backsteingotik gehaltenen Neubrandenburger Marienkirche, die von Pekka Salminen (Helsinki) zur Konzertkirche umgebaut wurde.
Der Mitschnitt macht deutlich, welch hohes Niveau ein deutsches Orchester aus der so genannten Provinz bieten kann, wenn ein guter Dirigent an der Spitze steht, der auch die Initiative für ein den Programm-Alltag überragendes Programm besitzt. Stefan Malzew hat mit Recht das nur wenig bekannte Stück von Busoni gewählt, dieses überzeugend einstudiert, die Interpretation ausgefeilt und mit viel Sinn für das Zeitalter von Mahler und Busoni aufgeführt. Mit Pietro Massa wurde ein glänzender Pianist
gefunden, der das ungemein schwierige und kompakte Werk voller Spielfreude in jeder Sekunde mit sicherer Virtuosität und farbenreichem Anschlag beherrscht und dabei den Spannungsbogen bis zum Ende durchhält. Diese CD kann mit gutem Gewissen weiterempfohlen werden.
Peter Roggenkamp