Distler, Hugo

Schauspielmusik zu Ritter Blaubart / Konzert für Cembalo und Streicher

Rubrik: CDs
Verlag/Label: musicapohn M 56860
erschienen in: das Orchester 10/2008 , Seite 66

Unbequeme Komponisten haben es auch in Jubel- oder Gedenkjahren schwer. Denkt man einmal an den frühzeitig einsetzenden publizistischen Rummel um Mozart zurück, so wird in gleich doppelter Weise klar, dass es vielfach nicht um die Person und das Werk geht, sondern um das Kapital, das sich daraus schlagen lässt. Die Einsicht mag weder neu noch sonderlich originell sein; sie stellt sich in diesem Jahr allerdings einmal aus anderer Perspektive. Denn heuer wäre der 100. Geburtstag von Hugo Distler zu feiern – und womöglich hat es kaum einer gemerkt.
Dies mag an seinem vornehmlich auf weltliche und geistliche Chormusik ausgerichteten Œuvre liegen, in dem sich auch ein großes Stück von Distlers äußerer Biografie widerspiegelt. Dass sein Werkkatalog aber neben der Choralpassion op. 7 und dem Mörike-Chorliederbuch op. 19 noch eine Reihe anderer, instrumentaler Werke aufweist, wurde und wird noch immer nur marginal wahrgenommen. So finden sich dort gleich zwei Konzerte für Cembalo (1930/32 und 1935/36), aber auch ein Klavierkonzert (1936/37) sowie ein Streichquartett (1939). Es mag die an der Singbewegung orientierte, zunächst etwas spröde wirkende und in den langsamen Sätzen verdächtig nach Hindemiths Mathis klingende Außenschicht seiner musikalischen Sprache sein, die einer größeren Verbreitung seines Schaffens im Wege steht – dabei wird jeder protestantische Kirchenchor mindestens einen Satz im Repertoire haben!
Insofern ist es ein besonderes Verdienst, wenn das in Kassel beheimatete Label Musicaphon pünktlich zum Geburtstag am 24. Juni eine CD vorlegt, die neben dem zweiten Cembalokonzert mit der Schauspielmusik zu Ritter Blaubart (1940) eine richtige Rarität enthält – das Werk wurde, nachdem die Inszenierung schon vor der Premiere abgesetzt worden war, erst 2002 in Neubrandenburg uraufgeführt. Unter absolutem Zeitdruck stehend griff Distler bei einigen Nummern seiner Bühnenmusik allerdings auf die Partitur des fünf Jahre zuvor entstandenen Konzerts zurück. Umso instruktiver erscheint die vorliegende Koppelung.
Hinsichtlich des Klangs sind bei dieser Produktion jedoch einige Abstriche hinzunehmen, die bei der Bühnenmusik der halligen Akustik einer Kirche geschuldet sind. Beim Cembalokonzert griff man beherzt (und in digitaler Überarbeitung) auf die inzwischen schon historische Aufnahme aus dem Jahr 1964 mit Huguette Dreyfus als Solistin zurück. Wenigstens in diesem Fall bietet sich mit Martin Haselböck und der Wiener Akademie (Thorofon) eine veritable Alternative. Das umfangreiche Booklet ist überaus informativ und gründlich recherchiert.
Michael Kube

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support