Nordic Music
Werke von Busch, Bruch, Wirén, Nielsen, Larsson
Was das Nordische an der Musik des Nordens sein könnte, ist selbst unter Skandinaviern umstritten. Allein die freie Benutzung schwedischer Melodien, die ihm geeignet schien, das Volksmäßige mit dem Sinfonischen zu vermählen, macht aus Max Bruchs Serenade nach schwedischen Volksmelodien noch keine nordische Musik (er verarbeitete auch schottische, keltische, russische und hebräische Volksweisen). Ebenso wenig befördert die bloße Tatsache, dass der gänzlich vergessene, nach Kansas City ausgewanderte Gade-Schüler Carl Busch aus Dänemark stammt und zum Ritter von Dannenberg aufstieg, seine Elegy for String Orchestra ins Universum des nordischen Geistes (wie Per Nørgård die Tonwelten
der Nationalromantiker Jean Sibelius und Carl Nielsen einmal umschrieb). Was beiden Werken freilich nichts von der Anmut und Würde nimmt, die ihnen die edlen Schwarzwälder Streicher verleihen.
Richtig im Norden zuhause sind wir freilich erst mit Carl Nielsen, hierzulande eher als Sinfoniker denn als Erneuerer der dänischen Liedgesangs-Tradition bekannt. In seiner Paraphrase für Streichorchester verschränkt er die gediegene mittelalterliche Volksweise Dronning Dagmar ligger udi Ribe syg (Königin Dagmar liegt draußen in Ribe krank) zunächst mit einem Tanz im Dreiertakt, bevor er sie in Variationen verwickelt. Deren Motiv-Imitationen und Ostinati, aus denen Dronning Dagmar als stimmen-durchwandernder Cantus firmus hervorsticht, werfen einen barocken Schleier über Nielsens Personalstil. Die Volksballade erzählt die ebenso traurige wie wundersame Geschichte von der böhmischen Prinzessin Margarete Dragomira, die im jütländischen Ribe dem Kindbettfieber erliegt, bevor König Waldemar der Sieger, von Schloss Skanderborg zu Pferde herbeihastend, das Sterbelager erreicht. Bei der Ankunft des Gatten schlägt sie noch einmal die Augen auf und äußert drei Wünsche.
Auf ihrer Suche nach Serenadenhaftem in der Musikliteratur des Nordens wurden die Pforzheimer auch in Schweden fündig. Die Streicherserenade von Dag Wirén, der in Stockholm und Paris studierte, bevor ihn der Schwedische Tonsetzerverband 1937 als Bibliothekar anstellte, zehrt von volkstümlicher Melodik und flächigen, ostinatohaften Mixturklängen. Ihr wohlbekannter Finalsatz parodiert den Trommelschlag militanter Marschmusik ein Ausbruch aus der Salonwelt des Divertimentos, den der Komponist alsbald mit wiegenden Nachschlagsbewegungen glättet. Griegs Holberg-Suite mag seinem Landsmann, dem Alban-Berg-Schüler Lars-Eric Larsson, bei der Komposition seiner Liten Serenade (kleine Serenade) und der Serenade Tempo di Valse im Sinn gelegen haben: Letztere ein Salonstück für Solovioline und Streicher, Erstere ein unterhaltsamer Viersätzer neoklassischen Zuschnitts mit einem Adagio cantabile, das der verlorenen Romantik nachhängt.
Unter Leitung seines anregenden Chefdirigenten Sebastian Tewinkel entfaltet das Südwestdeutsche Kammerochester einen blühenden, farbenreichen Streicherklang, gespeist von weiten, singenden, atmenden Phrasenbögen, musikantischer Gelöstheit, rhythmischer Genauigkeit und Verve.
Lutz Lesle


