Isserlis, Steven

Warum Händel mit Hofklatsch hausierte

Und viele andere Geschichten über das Leben berühmter Komponisten...

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: rüffer & rub, Zürich 2007
erschienen in: das Orchester 06/2008 , Seite 59

Der Engländer Steven Isserlis ist eine der großen und interessanten Persönlichkeiten in der jüngeren Cellistengeneration. Vom ungewöhnlich schönen Klang schwärmen alle, die ihn spielen hörten, und von seinem facettenreichen Engagement in Sachen Musik wird weltweit mit Anerkennung gesprochen. Isserlis führt das Publikum mit Vorträgen in seine fantasievollen Solo- und Kammermusikkonzerte ein, sucht in internationalen Musikarchiven nach, wie er es nennt, sleeping beauties, nach Dornröschen, die darauf warten, vom Prinzen wachgeküsst zu werden. Den Prinzen gibt er dann gern selbst und beglückt die Zuhörer mit vergessenen Klangschönheiten.
Isserlis entwickelt Projekte, in denen er Komponisten, Epochen und musikalische Themen nach allen Regeln der Kunst traktiert, und bringt sie an die ganz unterschiedlichen Zuhörer in der Wigmore Hall, der Royal Academy sowie Europas größtem Zentrum für Kunstveranstaltungen, dem Londoner Barbican Centre. Er fördert zeitgenössische Musik und ackert auf dem weiten Feld der Musikvermittlung: als künstlerischer Leiter internationaler Meisterklassen, als Lehrer an den Musikakademien in Europa, den USA und Australien, als Mitarbeiter eines Internetanbieters und als Präsident der New Yorker Stiftung Music for all Seasons.
Das Barbican Centre ist berüchtigt für seine zahllosen Ein- und Ausgänge, Isserlis hingegen berühmt für die vielen Zugänge, die er Musikinteressierten öffnet. Einer davon ist das neue, das zweite Kinder- und Jugendbuch über sechs berühmte Komponisten. Das erste Buch, Warum Beethoven mit Gulasch um sich warf (Zürich 2005), war ursprünglich eine Geschichtensammlung für den eigenen Sohn, wurde aber bald zu einem richtigen Buch für alle Söhne und Töchter. Schnell forderten Verlag und Leser einen Nachschlag. So nahm sich Isserlis erneut sechs Komponisten vor und erzählt diesmal aus dem Leben von Händel, Haydn, Schubert, Tschaikowsky (bei dem sein Großvater Julius Isserlis Schüler war), Dvorák und Fauré. Und hofft, dass die Kinder nach der Lektüre sechs neue Freunde gewonnen haben und deren Musik kennen lernen möchten.
Alle Kapitel – von namhaften Forschern auf ihre Gültigkeit überprüft – umfassen drei Teile: ein Komponistenporträt, eine kurze Biografie und die Beschreibung der Werke mit Empfehlungen von Stücken, „die den Kindern besonders gut gefallen dürften“. Dass immer Komponistenporträt und -biografie angeboten werden, hilft den Kindern, den umfangreichen Text zu bewältigen, denn sie können entscheiden, ob sie jeweils beide Teile lesen oder sich vorlesen lassen oder nur einen. Isserlis bringt einem die Menschen hinter den Künstlern nahe und macht – wie zur sachlichen Kontrolle – noch die Tür auf, hinter der die harten Fakten des Komponistenlebens stehen: Arbeitsbedingungen, krisenhafte Erlebnisse, Zeitbild. Sein pädagogischer Eros erlahmt dabei nie, denn er liebt die Musik und die beschriebenen Musiker und beantwortet auch wahrhaft brennende Fragen wie die, warum Gabriel Fauré einen Teller Spinat mitten ins Gesicht geklatscht bekam. Das Buch ist auch grafisch sehr liebevoll gestaltet.
Kirsten Lindenau

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