Herold, Anja
Lust und Frust beim Instrumentalspiel
Umbrüche und Abbrüche im musikalischen Werdegang, Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts, hg. von Freia Hoffmann, Bd. 5
Natürlich ist es reizvoller, über geliebte Gegenstände zu forschen und zu schreiben; über Werke, über Komponisten oder aber über Interpreten. Das gilt für Publizisten ebenso wie für Forscher. Und im Regelfall sind das genau jene Gegenstände, die auf der Erfolgsskala der musikhistoriografischen oder jener des Publikums ganz oben rangieren. Im Bereich von Werken mag das damit zu tun haben, dass es durchaus unterhaltsamer ist, sich längerfristig mit etwas Angenehmem zu beschäftigen.
Angenehmer ist es auch, sich mit Erfolgreichen über ihre Erfolge zu unterhalten als weniger Erfolgreiche zu befragen. So ist es kein Wunder, wenn die Musikwissenschaft eher Ursachen von Erfolgen ergründet, auch wenn man von der anderen Seite mindestens genauso viele Erkenntnisse erwarten könnte. Anja Herold stellt sich in ihrer Dissertation einem Forschungsdesiderat aus diesem Bereich: der Frage des Abbruchs von Instrumentalausbildung.
Die Wissenschaftlerin und Instrumentalpädagogin hat sich in einer qualitativen, teilstandardisierten Untersuchung mit Biografien von Laienmusikern auseinandergesetzt, in denen der Abbruch oder die Umorientierung von Instrumentalunterricht eine wesentliche Rolle gespielt hat. Dabei liegt ihr besonderer Fokus auf Musikern, die spätestens im Erwachsenenalter ihre aktive musikalische Heimat im Jazz- oder Popularmusikbereich gewählt haben. Musikalische Motivation spielt dabei eine ebenso wesentliche Rolle wie das Spannungsfeld zwischen Auftrittsangst und der Erfahrung gemeinsamen Musizierens.
Problematisch, aber kaum zu umgehen ist, dass der überwiegende Teil der von der Autorin Befragten aus Abbrechern besteht, die auf anderem Gebiet wieder mit dem Musizieren begonnen haben; und dies zwangsläufig mehr oder weniger wieder auf die Art und Weise der Reflexion des Abbruchs zurückzuwirken vermag. Dennoch bringt diese Arbeit interessante und verblüffende Ergebnisse zutage, Erklärungen von Motivation und Demotivation über ein Differenzmodell, das sich im Wesentlichen auf die Differenz von Erwartung und Erfüllung stützt und auf die Fähigkeit, diese auszugleichen.
Reizvollstes Ergebnis der Studie ist mit Sicherheit die Fülle an Stoßrichtungen für weitere musikologische wie für pädagogische Forschung sowie die Andeutung praktisch pädagogischer Konsequenzen in Bezug auf verschiedene Zielgruppen. Dass da manchmal die Detailfülle und der Abstraktionsgrad der Lektüre nicht unbedingt förderlich sind, ist kein Einzelfall bei veröffentlichten Dissertationen und tut der Sache auch nur begrenzt Abbruch.
Tatjana Böhme-Mehner


