Brahms, Johannes

Sinfonie Nr. 1/Sinfonie Nr. 3

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 87100
erschienen in: das Orchester 09/2008 , Seite 68

Ist zu den Brahms-Sinfonien schon alles gesagt? Der Eindruck könnte entstehen, denn während Neueinspielungen von Beethoven-, Schumann- oder Mahler-Sinfonien in beachtlicher Zahl trotz teilweise überwältigender Katalogkonkurrenz den immer enger werdenden Klassikmarkt überschwemmen, sind es in jüngsten Jahren eher hochkarätige Wiederveröffentlichungen von beachtenswerten Brahms-Gesamteinspielungen – wie z.B. der von Riccardo Chailly und dem Concertgebouworkest Amsterdam oder Christoph Dohnanyi mit dem Cleveland Orchestra –, die in Erinnerung geblieben sind, denn herausragende Neueinspielungen. Daran hat das aktuelle Brahms-Jahr bislang wenig geändert, auch wenn im Vorgriff Christian Thielemann und seine Münchner Philharmoniker eine sehr persönliche Deutung der ersten Sinfonie mit ungemein breiten Tempi und betont dunklem Klang vorgelegt haben.
Nun präsentiert Rafael Frühbeck de Burgos mit den Dresdner Philharmonikern eine insgesamt überzeugende neue Studioeinspielung der ersten und dritten Brahms-Sinfonie. De Burgos, der mit seinem Orchester in der jüngeren Vergangenheit schon einige ansprechende CDs – beispielsweise Bruckners Dritte (siehe Rezension in das Orchester 12/07) – aufgenommen hat, nutzt auch bei dieser in der Dresdner Lukas-Kirche entstandenen Aufnahmen das Klangpotenzial seines Orchesters.
Der spanische Dirigent ist Traditionalist im besten Sinn, keiner, der die Partituren gegen den Strich bürsten muss oder jede interpretatorische Modeerscheinung mitmacht. Bei der c-Moll-Sinfonie erliegt er nicht der Versuchung, die Dramatik des Werks künstlich aufzuheizen. Der berühmte Ausspruch Hans von Bülows von „Beethovens Zehnter“, aber auch die Anklänge an Beethovens 5. und 9. Sinfonie sowie die mit Beethovens Ansatz vergleichbare „Durch Nacht zum Licht“-Konzeption des Finales stehen bei de Burgos und seinen Dresdnern nicht im Vordergrund. Der kompakte Klang wird vom Dirigenten immer wieder aufgefächert, die vielen Holzbläsersoli der ausgezeichnet besetzten ersten Pulte der Dresdner Philharmonie haben viel Gelegenheit sich auszuzeichnen. Bei eher getragenen Tempi beherrscht de Burgos die Kunst der Übergänge. Wie er in der langsamen Einleitung zum Finale den Spannungsaufbau betreibt, ist beachtenswert. Schade nur, dass das Solo des Konzertmeisters im 2. Satz klanglich im Gegensatz zu den Holzbläsersoli „unterbelichtet“ wirkt.
Auch bei der Dritten überzeugt insgesamt die Geschmeidigkeit des Ansatzes, auch wenn hier gelegentlich Einschränkungen beim Klang der Streicher in hohen Lagen gemacht werden müssen, der nicht immer genug abgerundet wirkt. Auch hier wirkt das Orchesterspiel sehr durchgearbeitet, in den klanglichen Proportionen ausgewogen, den vielfach verästelten motivisch-thematischen Ansatz nachzeichnend. Eine klangfarblich stärkere Konturierung wäre bei der Dritten aber durchaus möglich gewesen. Der hellere, mehr lyrische Charakter der F-Dur-Sinfonie verleitet de Burgos zudem gelegentlich, die große Linie aufzugeben. Dennoch eine gelungene Einspielung, die der spezifischen Klangkultur der Dresdner Philharmoniker immer gerecht wird.
Walter Schneckenburger

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