Klang-Reise

Das Ensemble für Intuitive Musik Weimar im Konzert

Rubrik: CDs
Verlag/Label: H.A.R.M.S. 040901
erschienen in: das Orchester 09/2005 , Seite 94

Das Cover zeigt vier Musiker vor einer gelb-orange beleuchteten Felswand, die auch im Innern einer Höhle sein könnte. Hinten auf der CD lodern riesige Flammen aus überdimensionalen Bunsenbrennern. Optische Hinweise auf die Programmatik, die sich auch im Titel manifestiert: Eine Klangreise soll hier stattfinden, und das gleich in des Wortes mehrfacher Bedeutung. Zum einen fanden diese sechs Konzerte, von denen jeweils Livemitschnitte zu hören sind, an ganz unterschiedlichen Orten auf der Welt statt – in Deutschland, in der Schweiz, in Singapur und in Thailand. Zum anderen wollen die Musiker des „Ensemble für Intuitive Musik Weimar“ (EFIM) den Hörer mitnehmen auf eine Reise in ein bislang unerforschtes musikalisches Land, nämlich in das Land der spontanen Komposition.
Als geistigen Mentor führen die vier Mitglieder Karlheinz Stockhausen an, der im Jahr 1968 erstmals den Begriff „Intuitive Musik“ verwendete. Bei seinem Werk Aus den sieben Tagen etwa hat er anstelle von Noten kurze Texte notiert – Vorstellungshilfen, Anleitungen für eine bestimmte Spielhaltung, mit deren Hilfe die Musiker zu dem gewünschten Ergebnis gelangen sollten. Das EFIM wurde 1980 ins Leben gerufen. Laut eigener Aussage war zu jener Zeit in der DDR offiziell unerwünschte, ja tabuisierte Musik sehr gefragt, und so erfuhr Stockhausen in den 80er Jahren dort einen regen Zuspruch. Allerdings waren seine „intuitiven“ Kompositionen schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung umstritten, denn die Grenzen zur freien Improvisation, bei der dann der ausführende Musiker zum Urheber wird, sind fließend.
Auch die Stücke des EFIM machen eher den Eindruck, als seinen sie beim Musizieren spontan entstanden. Die sechs Mitschnitte von Konzerten, die in einem Zeitraum von sieben Jahren entstanden sind, unterscheiden sich nicht gravierend voneinander. Sie alle rücken ein Instrument in den Mittelpunkt (meist Klavier oder Trompete), das meist kurze Phrasen oder sogar nur einzelne Töne produziert. Umgarnt wird dieses Gerüst dann von allerlei Computersounds und Samples, die auch schon mal ins Geräuschhafte abwandern können oder die typischen „Soundscapes“ verwenden – Aufnahmen von genau beschriebenen Städten oder Landschaften, die aber doch alle erschreckend ähnlich klingen.
Da diese Musik immer denselben wellenartigen Grundimpuls aufweist, kann man sich mit ihr sehr gut entspannen, wenn man sie nur nebenbei hört, etwa bei der Hausarbeit oder beim Telefonieren. Das konzentrierte Zuhören löst allerdings ein zunehmendes Unbefriedigtsein aus, denn im Gegensatz zum „echten“ Improvisieren, wie man es vom Jazz kennt, fehlt hier die musikalische Entwicklungslinie. Dass diese Musik nicht gut für sich allein stehen kann, ist auch daran zu erkennen, dass sich das EFIM seit den 90er Jahren gerne spektakuläre Umgebungen für seine Auftritte sucht – wie den 670 Meter unter Tage in Salz gefrästen Konzertsaal oder ein Lavafeld in Mexico-City – und in synästhetischen Projekten neben dem Ohr auch das Auge ansprechen will. So haben die vier Musiker für „Farbenklang Meiningen“ 1996 zur Musik noch 16 Heißluftballonbrenner, Tänzer und Sänger engagiert. Dass all diese optische Wucht auf der CD fehlt, gereicht der Musik nicht zum Vorteil.
Sibylle Kayser

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