Saint-Saens, Camille

Piano Concertos Vol 1

Rubrik: CDs
Verlag/Label: audite 92.509
erschienen in: das Orchester 09/2005 , Seite 92

Die Klavierkonzerte von Camille Saint-Saëns zeichnen sich durch große Unterschiede aus. Diese betreffen nicht nur die formale Gestaltung und die Anordnung der Sätze, sondern auch die Atmosphäre und den musikalischen Ausdruck. Während das frühe
erste Konzert noch ganz vor jugendlichem Elan und Klangfreude strotzt und das zehn Jahre später komponierte, populäre zweite Konzert sehr kontrastreich zwischen lockerer Beschwingtheit, expressiven Ausbrüchen und tänzerischer Wildheit hin und her pendelt, besticht das vierte Konzert durch seinen hohen Ernst.
Diese drei Werke sind nun auf einer CD vereint, die von der Preisträgerin des ARD-Wettbewerbs 1993, Anna Malikova, mit dem WDR Sinfonieorchester unter Leitung von Thomas Sanderling eingespielt wurde. Mittlerweile ist bereits eine weitere CD mit den beiden übrigen Klavierkonzerten von Saint-Saëns veröffentlicht worden, weshalb eine Gesamteinspielung vorliegt.
So unterschiedlich die drei Klavierkonzerte in ihrer Komposition sind, so verschieden müssen auch die interpretatorischen Ansätze sein. Dies ist ein hoher Anspruch, an dem schon einige
Interpreten scheiterten. Die Voraussetzungen für ein gutes Gelingen des Projekts waren aber gegeben: Anna Malikova verfügt über eine große Bandbreite musikalischer Ausdruckskraft, und über ihre technischen Fähigkeiten braucht man kein negatives Wort zu verlieren. Mit Thomas Sanderling, der ein hervorragender Dirigent deutscher Sinfonik ist – dieser begegnet man bei Saint-Saëns’ Konzerten in klangfarblicher und melodischer Hinsicht –, steht der Solistin zudem ein kongenialer Partner zur Seite.
Dennoch konnten die Erwartungen nicht vollends erfüllt werden. So schien den Interpreten beispielsweise der Ernst des vierten Klavierkonzerts näher zu liegen als das atmosphärisch sprunghaftere zweite Konzert. Dies wird bereits im Kopfsatz des g-Moll-Konzerts deutlich, dessen toccatenartige Figurationen immer wieder zur Schwere neigen. Sie klingen mehr nach deutscher Romantik als nach französischer Klangkultur. Seiner spielerischen, selbstverständlichen Leichtigkeit beraubt, kommt zwar der Satz nunmehr atmosphärisch einheitlicher daher, aber er verliert gleichzeitig an Kontrasten. Der Finalsatz schließlich wirkt zurückgenommen, was nicht allein mit der Wahl eines im Vergleich zu anderen Interpretationen langsameren Tempos zusammenhängt. Vorteil ist, dass dadurch Anna Malikova die melodischen Erfindungen klarer akzentuiert. Jedoch verliert diese gezügelte Tarantella gleichzeitig ihre Wildheit. Und so kommt es, dass im Mittelteil die 84 Triller des Klaviers eher wie musikalischer Schmuck wirken und nicht mehr zur Charakterbildung des Satzes beitragen.
Daneben gibt es immer wieder äußerst hörenswerte Teile. Das Instrumentalrezitativ im Andante des ersten Klavierkonzerts z.B. gestaltet die Pianistin mit dem Orchester beredt und ausdrucksreich, sodass man wie die Frühromantiker an die Musik als eine Sprache ohne Worte glaubt. Auch die emotionale Tiefe im vierten Konzert ist selten so erreicht wie von Anna Malikova, Thomas Sanderling und dem WDR Sinfonieorchester Köln. An diesen Stellen erweist sich die Einspielung als eine Referenzaufnahme.
Klemens Fiebach

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