Salieri, Antonio

Tarare

Schwetzinger Festspiele 1988

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Arthaus DVD 100557
erschienen in: das Orchester 07-08/2005 , Seite 94

Nötig hatte er es wirklich nicht, Wolfgang Amadeus Mozart umzubringen. Denn während Mozarts Stern nach anfänglichen Erfolgen in Wien wieder zu sinken begann, war Antonio Salieri als kaiserlicher Hofkomponist erfolgreich und angesehen, ebenso als Lehrer. Die Nachwelt ist nicht gerade gerecht mit seinem Werk umgegangen, nur gelegentlich kann man ihn als Opernkomponist erleben. 1988 boten die Schwetzinger Festspiele mit seiner Oper Tarare, die in Koproduktion mit dem Badischen Staatstheater Karlsruhe aufgeführt wurde, eine Möglichkeit, die sich nun auf DVD nachvollziehen lässt.
Tarare nach dem Libretto von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais war nach der Pariser Uraufführung ein beachtenswerter Publikumserfolg. Von Juni 1787 bis Februar 1788 wurde die Oper 31-mal gespielt. Auch die unter dem Titel Axur, Re d’ormus für Wien geschaffene, aus Zensurgründen entschärfte Fassung wurde 1788 immerhin 29-mal aufgeführt und erwies sich so als ein Kassenschlager. Die Zeiten hat die einstige Popularität indes nicht überdauert. Erst nach über 160 Jahren kam die Oper erstmals wieder auf eine Bühne.
Ob es an der Konzeption Salieris, der gemäß der Gluck’schen Reformopern-Idee die Musik als Dienerin des Wortes einsetzte und jeden virtuosen Zierrat mied, oder an der einstmals politisch anstößigen, inzwischen aber recht konventionell anmutenden Handlung liegt, ist schwer zu beantworten. Denn das turbulente Werk mit manch buffonesker Szene hat eine ganz der Aufklärung geschuldete Moral parat: Ein grausamer Despot wird von einem Soldaten abgelöst, den das Volk wegen seiner Tapferkeit und Treue zum König wählt. Bis es dazu kommt, bietet Tarare aber genügend Verwechslungen und Intrigen, sentimentale Momente ebenso wie manch witzige Einlage, dass der Eindruck des lehrhaft-parabelhaften sich nicht zu sehr in den Vordergrund schiebt.
Im intimen Schwetzinger Rokoko-Theater hat sich 1988 der damalige Generalintendant der Pariser Oper Jean-Louis Martinoty in dem von ihm mit vielen Anspielungen und ironischen Brechungen geprägten Stil der Salieri-Oper angenommen. Martinoty, der in den 1980er Jahren eng mit dem Badischen Staatstheater verbunden war – einerseits prägte er lange das Gesicht der Händel-Festspiele des Hauses, andererseits ist mit seinem Inszenierungsstil auch eine ironisch-distanzierte Sicht auf Richard Wagners Der Ring des Nibelungen verbunden – liebt das Witzige, hintersinnige Ironie, aber auch die Überzeichnung, und ebenso verliert er sich gerne im Zitathaften. So bleibt die in guter Fernsehqualität aufgezeichnete Tarare-Premiere etwas zwiespältig. Manches wirkt doch im Rückblick arg drollig, Martinotys Stil recht konventionell-verstaubt.
Andererseits hat er wie bei dem singdarstellerisch hochbegabten Eberhard Lorenz auch Akteure zur Verfügung, die im historisierenden, mit Anspielungen wenig geizenden Bühnenbild von Heinz Balthes – für die fantasievollen Kostüme zeichnete Daniel Ogier verantwortlich – für Witz und geistreichen Hintersinn standen. Das musikalische Niveau war auf jeden Fall ansprechend. Altmeister Jean-Claude Malgoire leitete die auf historischem Instrumentarium ansprechend musizierenden Deutschen Händel-Solisten mit Umsicht, ohne die Partitur mit besonderem Temperament aufladen zu können. Howard Crook sang die Titelpartie mit kraftvollem Tenor, der der etwas eindimensionalen Persönlichkeit des Feldherrn, der seine entführte Frau sucht und fast unfreiwillig auf dem Thron landet, durchaus gerecht wurde. Neben dem quicklebendigen Eberhard Lorenz (Calpigi) bot Jean-Philippe Lafont als grausamer Herrscher Atar eine ebenso ansprechende Leistung wie das restliche, recht ausgewogene Ensemble, aus dem noch besonders Anna Caleb zu nennen ist.
Walter Schneckenburger

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