Floros, Constantin (Hg.)
Gustav Mahler und die Oper
In einem seiner bekanntesten Aphorismen gab Georg Christoph Lichtenberg zu bedenken, dass, wenn es beim Zusammenstoß zwischen Kopf und Buch hohl klinge, nicht das Buch daran schuld sein müsse. Nein, muss nicht, aber kann. Leider gilt es für dieses Buch.
Herausgegeben und eingeleitet von dem Musikwissenschaftler und Mahler-Kenner Constantin Floros versammelt der schmale Band vier Aufsätze zum Thema Gustav Mahler und die Oper. In der Einführung werden beim Leser hohe Erwartungen geweckt. Da heißt es: In der äußeren Ausgestaltung eines Werkes konnte ihn dessen Art oder Zeit, in der es spielte, beeinflussen; der Geist der Musik aber war für ihn immer unverrückbar und der bestimmende Faktor. Es war ihr Urgeist, der, auch über die realistischste Dichtung ausgegossen, sie dem Alltag erhebt, nämlich ein idealistischer. (Zitat der zeitgenössischen Sängerin Marie Gutheil-Schoder)
Der Dirigent Bruno Walter, mit Mahler aus seiner Zusammenarbeit am Hamburger Stadttheater vertraut, erklärte die Bedeutung Mahlers als Opernleiter damit, dass seine dramatische Begabung der musikalischen ebenbürtig gewesen sei. Mahler selbst wird mit einer Selbstcharakteristik eingeführt, derzufolge er sich als Streiter für das Heiligtum verstand. Floros erklärt diese wahrhaft erklärungsbedürftige Äußerung mit den knappen Worten, womit er eindeutig den Tempel der Kunst meinte. Punkt. So geht es durch den gesamten Text. Die Einleitung ist eine wörtlich viel versprechende Zitatensammlung, der dann aber leider in den vier Aufsätzen keine angemessene Vertiefung und Beglaubigung folgt.
Im Einzelnen: Die beiden Beiträge von Franz Willnauer, Theaterwissenschaftler, Intendant und Autor mehrerer Arbeiten über Gustav Mahler, wirken in dem vorliegenden Buch wie am falschen Ort. Für sich genommen durchaus interessant, haben sie den Bühnenbildner Alfred Roller und die Opernreform aus dem Geist des Jugendstils sowie die spezifische Lichttechnik zum Gegenstand, wohingegen Gustav Mahler nur in dem allesduldenden und des Buchtitels auftaucht. Natürlich, sie haben zusammen gearbeitet. Sogar symbiotisch, wie es heißt. Doch worin bestand die Zusammenarbeit? Das bleibt blass.
In einem weiteren Aufsatz berichtet der Gründer der Gustav Mahler Vereinigung Hamburg, Georg Borchardt, über Mahlers Wirken als zweiter Kapellmeister am Stadttheater in Leipzig, namentlich über seine Arbeit an der ersten Sinfonie sowie dem Torso der komischen Oper Die drei Pintos von Carl Maria von Weber. Mahlers Schaffensrausch wird dabei durchweg in einer besonderen Perspektive betrachtet, nämlich der der Liebesbeziehung zu Marion von Weber. Die geheimen Botschaften in der Musik (ein von Floros oft behandeltes Thema), werden als Ausfluss und Indizien eines starken Gefühls gedeutet. Um das zu belegen, hangelt Borchardt sich von Vermutung zu Vermutung was er durch seine zögerliche Sprache auch deutlich macht , doch behandelt er seine Materialien leider so, als ob wir noch vor der Entdeckung der kritischen Quellenkunde stünden.
Eben das kennzeichnet auch den Beitrag von Sabine Siemon, die gegenwärtig über das Hamburger Stadttheater zur Zeit Gustav Mahlers promoviert. Sie liefert zwar eine penible Materialsammlung mit Uhrzeiten und Hausnummern, aber keinen durchdrungenen Text, der Gustav Mahler als Künstler, als bedeutenden Mann des Musiktheaters plastisch werden ließe.
Das Buch wirkt unentschlossen im Konzept und beliebig in der Zusammenstellung der Texte. An wen mag es sich wenden?
Kirsten Lindenau