Strauss, Richard

Vier letzte Lieder / Lieder / Der Rosenkavalier, Finale Akt I

Rubrik: CDs
Verlag/Label: EMI 5577520 CD + DVD
erschienen in: das Orchester 04/2005 , Seite 89

Es ist erstaunlich, welche Opern-Schätze mitunter aus Archiven zum Vorschein kommen. Etwa ein Londoner Rosenkavalier aus dem Jahr 1961, als Film mitgeschnitten vom BBC, mit Elisabeth Schwarzkopf als unvergleichlicher Marschallin und Hertha Töpper als Octavian. Man findet diese Aufnahme nun in einem Doppelpack, der der einzigartigen
Sängerpersönlichkeit Elisabeth Schwarzkopf gewidmet ist, erschienen innerhalb einer Reihe unter dem Titel „Legenden“.
Die Kassetten enthalten jeweils eine Audio-CD und eine Film-DVD zu einem Künstler. Bedauerlich und fast ein bisschen ärgerlich allerdings, dass sich auf der Schwarzkopf-DVD nur das Finale des ersten Akts findet. Auch der Einsatz ist schlecht gewählt, fehlt doch der rezitativische Beginn des Marschallin-Monologs („Da geht er hin, der aufgeblasne, schlechte Kerl…“). Dafür gibt es jede Menge Promotion- und Werbeclips, die den Eindruck erwecken, man habe es mit einer Demo-Disc zu tun.
Trotz dieser Mängel kann man sich über diese Ausgrabung freuen, gibt sie doch zumindest einen Einblick in eine Aufführung, in der Elisabeth Schwarzkopf ihre Paraderolle sogar noch eine Spur bewegender und anrührender gestaltet als in der schon legendären Salzburger Produktion unter der Leitung von Herbert von Karajan 1960. Schon da brillierte sie gleichermaßen mit stimmlichem Ausdruck und Noblesse. In der Londoner Aufführung nun wirkt ihr Spiel noch ergreifender, zeigt sie sich im Dialog mit dem jungen Liebhaber noch verletzbarer und zerrissener zwischen ihren Gefühlen, einer Angst vor dem Altwerden, dem Schmerz, über kurz oder lang den Liebhaber an eine Jüngere zu verlieren, und ihrem nahezu übermenschlichen Anspruch, dann nicht zu klammern, sondern mit Grandezza zu verzichten. Eine noch aus heutiger Sicht sensationelle authentische Interpretation, wie man sie seither bis heute wohl bei keiner anderen Darstellerin mehr erlebt hat.
Die Audio-CD erinnert an die große Liedinterpretin Schwarzkopf, die vor allem Richard Strauss’ Vier letzte Lieder mit unvergleichlich engelhafter Schwerelosigkeit und Ausdruckstiefe gestaltete wie keine andere. Bis heute ist diese legendäre Einspielung mit dem überaus sensibel agierenden Radio-Sinfonie-Orchester Berlin unter Leitung von George Szell in ihrer Verklärtheit, klanglichen Vielfalt und Schönheit unübertroffen. Das Gleiche gilt auch für die übrigen ausgewählten Orchesterlieder von Richard Strauss in einer Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra, unter denen das inniglich-zarte Morgen (op. 27), das Wiegenlied (op. 41/1) und die Winterweihe (op. 48) nicht zuletzt des dunklen Timbres und einer geradezu überragenden Textverständlichkeit wegen hervorzuheben sind. Schade nur, dass im Booklet darauf verzichtet wurde, die Liedtexte abzudrucken.
Kirsten Liese

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