Werke von Edvard Grieg, Jean Sibelius, Kurt Atterberg und Rolf Martinsson

Northern Colours

Felix Klieser (Horn), Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken ­Kaiserslautern, Ltg. Jamie Philips

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 12/2025 , Seite 73

Abgesehen von Klavier und Violine leiden vermutlich alle Solist:innen unter den Begrenzungen des eigenen Repertoires. Damit sind nicht die äußersten Grenzen des Werkbestands gemeint, sondern die engen Mauern dessen, was im Sinfoniekonzert seinen Platz hat, beständig wiederholt wird und aus Sorge vor allzu „überraschenden“ Alternativen nie infrage gestellt wird. Doch was heißt das eigentlich für das (neuerdings) gar nicht so unaufgeschlossene Publikum, dem es vielfach an Referenzwerken mangelt? Wer es bequem haben will, kann es leicht herunterdeklinieren: Flöte (Mozart, vielleicht noch Reinecke), Oboe (Strauss, was sonst?), Klarinette (Mozart, Weber), Fagott (Mozart, sonst?), Horn (Mozart, Strauss), Trompete (Haydn, Hummel), Posaune (?), Tuba (Vaughan Williams, aber das kennt fast niemand).
Irgendwann kommen wohl alle Solist:innen an den Punkt, an dem sie sich die Frage „Was jetzt?“ stellen. Vielleicht, weil die Künstlerische Planung kein „Risiko“ eingehen möchte, weil das Publikum das Werk möglicherweise nicht kennt oder weil das CD-Label keine Experimente wagen will. Dabei ist es wie im echten Leben: Wenn man seinem Hausarzt oder seiner Hausapothekerin vertraut, wird man deren Rat gerne folgen (oder zumindest ernsthaft überdenken). In einer immer komplexer werdenden Welt kann niemand auf allen Feldern Experte sein – umso wichtiger sind Gespräche, gute Ratschläge und Empfehlungen. Bei einem Album vertraut man dem Solisten bzw. der Solistin und dem kuratierten Programm (früher war es auch das Label selbst).
Hier ist es nun Felix Klieser, der sich mit seinem Horn in unerhörte Repertoire-Regionen wagt, die wohl noch niemand zuvor so gehört hat. Dabei macht es einem das Motto des Albums einfach und vertraut: Northern Colours verweist im Titel eindeutig auf Skandinavien – und damit für viele auf einen Sehnsuchtsort. Ein Motto, das unbestimmt und doch mit der Idee von farbintensivem Licht, weiter Landschaft und einem melancholischen Grundgefühl gedanklich recht konkret ist. Das Gefühl ist mehr oder weniger in den hier eingespielten Partituren zu finden: dem Konzert Soundscape – A Walk in Colours op. 118 von Rolf Martinsson (*1956), das 2022 uraufgeführt wurde und seinem Namen alle Ehre macht, dem spätromantischen Konzert von Kurt Atterberg (1887–1974) und vor allem in den beiden Bearbeitungen von Grieg (Solveigs Lied) und Sibelius (Der Schwan von Tuonela). Damit sind bereits die Zugaben integriert – mehr aber noch sind es die Hauptwerke, die für den Mut und die weiterhin erstaunliche, wenn auch nicht immer tonlich markant durchschlagende Technik von Felix Klieser stehen – ebenso für die Flexibilität und Farbigkeit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern. Ein Album, das zum Hinhören geradezu verleitet.
Michael Kube

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