Wolfgang Amadeus Mozart
Piano Concertos Nos. 20 & 24
Zhen Chen (Klavier), Kurpfälzisches Kammerorchester, Ltg. Paul Meyer
Es gibt Werke, an denen sich jedes Orchester beweisen muss, und Partituren, die bereits angehende Dirigent:innen nicht auslassen können. Ähnlich ist es bei Konzerten, bei denen die jeweiligen Instrumentalsolist:innen gefragt sind. Wenn es zu einer Aufnahme mit Orchester kommt, stellen sich große Fragen: In welche Richtungen tendieren die älteren und aktuellen Aufführungstraditionen? Wo liegt der eigene musikalische Standort? Wie lässt sich etwas Eigenes und Unverwechselbares hinzufügen? Oder schlichtweg: Warum sollte man diese Einspielung unbedingt hören?
Genau hier setzt die Aufgabe der Musikkritik ein: In jedem Text, auch für jede Spalte dieser Zeitschrift, spitzt sie die Ohren, wirft eigene Vorlieben über Bord und versucht, das Gehörte im Detail wie im Ganzen neutral, nachvollziehbar und verständlich zu bewerten. Für die aktuelle Einspielung der beiden Moll-Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart durch Zhen Chen empfiehlt es sich, zunächst im Booklet zu stöbern und das Interview mit dem Solisten zu lesen. Chen hält eine zu romantische (und damit wohl gemeint: eine dramatisierende) Interpretation für wenig angemessen, – „da es zurzeit ihrer Entstehung keine emotionalen Umbrüche in Mozarts Leben gegeben hat, die auf die Schaffung dieser Werke Einfluss gehabt hätten; auch war Mozart im Alter von 30 Jahren kein besonders schwermütiger Mensch“. Vor diesem Hintergrund erklärt sich vieles – vor allem die verblüffende Schwerelosigkeit des Soloparts, obwohl doch (so will es mir fast zwingend scheinen) die Musik in vielen Momenten eine innere Schwerkraft entfaltet und nicht ohne den (bei Mozart freilich weniger stark ausgeprägten) „Sturm und Drang“ zu denken ist. Das „Moll“ allein als Ausdruck persönlicher Krisen zu betrachten, erscheint mir zu hoch gegriffen und zu einfach gedeutet.
Und so begegnet man den beiden Werken in d-Moll und c-Moll (KV 466 und 491) hier neu, wenn auch nicht mit einem nachhaltigen Eindruck. Was in der Substanz des Notentextes bereits emotional gedrängt erscheint (die Anläufe und Sequenzen, die Schleifer und Synkopen), mutet plötzlich plan an, was in der inneren Ausdrucksintensität nach Expression drängt, wird gewissermaßen klassizistisch kastriert. Dabei steht freilich der moderne schwarze Flügel allzu präsent im Raum – ein Instrument, das mir, so gespielt, kaum mehr adäquat für diese Musik erscheint, auch mit Blick auf Beethovens Kadenzen zum Konzert d-Moll.
Das Kurpfälzische Kammerorchester unter Paul Meyer sekundiert in enger Absprache und wirkt doch, als sei es an eine kurze Leine genommen. Eine Hör-Alternative, die vieles lehrt.
Michael Kube


