Richard Strauss

Ein Heldenleben op. 40

Tondichtung für großes Orchester, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaben
erschienen in: das Orchester 12/2025 , Seite 69

Die Tondichtung Ein Heldenleben op. 40 (1897/98) nimmt gleich in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung im Schaffen von Richard Strauss ein: Der Komponist hat einen riesenhaften Sonatensatz von außerordentlicher orchestraler Virtuosität konzipiert und sich damit ein klingendes Denkmal gesetzt. Er verknüpft in ihm Aspekte seines Privatlebens mit ätzender Kritikerschelte, gestützt durch allerlei Selbstzitate und einer geradezu messianischen Selbsterhöhung des eigenen Schaffens. Dabei nutzt er – analog zum Violoncello im gleichzeitig begonnenen Don Quixote op. 35 – auch hier ein Soloinstrument, um das musikalische Narrativ zu unterstützen. Der gesamte Abschnitt „Des Helden Gefährtin“ (T. 190–286) ist von der konzertierenden Violine dominiert, die als instrumentale Repräsentation der Partnerin deren launische, kokettierende Art in einer ausgedehnten ­Accompagnato-Szene im Dialog mit dem Orchester ausbreitet, bis sich am Ende Soloinstrument (Pauline) und Orchester (Richard) in einer weit geschwungenen Kantilene vereinigen. Dass bei dieser Vereinigung die Violine allmählich vom Kollektiv der Orchesterviolinen verschluckt wird, also eine klangliche Vereinnahmung der weiblichen Individualität durch den dominierenden männlichen Part erfolgt, ist durchaus charakteristisch für die mitunter misogynen Tendenzen der Strauss’schen Musik.
Es sind viele, zumeist die Bereiche Dynamik und Artikulation betreffende Detailkorrekturen, die gemäß des am Ende des Bandes abgedruckten Kritischen Berichts hier sowie an anderen Stellen vor allem auf Grundlage von autografer Partitur, Partiturerstdruck und Erstdruck der Orchesterstimmen in diese Neuausgabe eingeflossen sind. Die Entscheidung, die zwar als authentisch überlieferten, aber von Strauss nicht als integraler Bestandteil der Komposition gedachten programmatischen Hinweise zum Stück als Titel der einzelnen Abschnitte in die Partitur mit aufzunehmen und durch eckige Klammern zu kennzeichnen, ist auf jeden Fall positiv zu bewerten. Auch die Wiedergabe des ursprünglich kürzeren Schlussabschnitts erweist sich als Bereicherung, da sie zumindest am Rand Einblicke in die Werkstatt des Komponisten erlaubt.
Nick Pfefferkorn hat als Herausgeber des Urtexts ganze Arbeit geleistet und sowohl den aktuellen Stand der Forschung in einer sehr lesenswerten Beschreibung der vorhandenen Quellen zur Komposition zusammengefasst als auch das kurze Vorwort mit fundierten Informationen zur Entstehung und Rezeption des Werks versehen. Dem klar und räumlich großzügig gesetzten Notentext sieht man an, dass er für die Verwendung in der Praxis entstanden ist. Die Übersichtlichkeit bleibt auch dort gewahrt, wo das Orchester in voller Stärke beschäftigt ist und die Notensysteme demzufolge etwas verkleinert sind.
Stefan Drees

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