Geoffrey Norris (Hg.)
Sergei Rachmaninoff spricht
Der Komponist, Pianist und Dirigent Sergei Rachmaninow war kein sonderlich gesprächiger Mensch, Aufnahmen mit seiner Stimme sind nicht bekannt. Dennoch stand er immer wieder Journalisten Rede und Antwort. Zwischen 1909 und 1943 gab er mehr als 40 Interviews, die zumeist in angelsächsischen Zeitungen und Magazinen erschienen.
Der englische Musikwissenschaftler und -kritiker Geoffrey Norris hat diese Dokumente nun erstmals zusammengetragen und kommentiert veröffentlicht. Ein Großteil davon wurde nach dem ersten Erscheinen nie mehr oder nur unvollständig publiziert. Die Musikwissenschaftlerin Barbara Barthelmes hat das erhellende Nachschlagewerk aus dem Englischen übersetzt. Rachmaninow (dessen Name in dem Buch in der von ihm selbst verwendeten Schreibweise „Rachmaninoff“ vorkommt) spricht in den Interviews über seine Erfahrungen als international gefeierter Konzertpianist, über eigene Kompositionen, die verlorene Heimat Russland und sein neues Leben in den USA und der Schweiz. In den 1930er Jahren ließ er am Vierwaldstättersee nahe Luzern die – seit 2023 als Kulturzentrum öffentlich zugängliche – Villa Senar bauen, wo er die Sommer verbrachte. „Das Komponieren ist ein ebenso wesentlicher Teil meines Wesens wie das Atmen oder Essen“, verriet er 1941 dem Musikjournalisten David Ewen.
Mit zeitgenössischen Werken tat er sich sein Leben lang schwer. „Ich habe wenig Sympathie für diejenigen, die sich der eigenwilligen Exzentrik der heutigen musikalischen Sensationsmacherei hingeben“, sagte er bereits 1909 dem Magazin Musical America. „Die Methoden Strauss’ und Regers sind gekommen, um zu bleiben. Ich für meinen Teil werde mich jedoch von ihnen fern halten.“ Rachmaninow gestand, dass Komponieren für ihn mühevoll sei: „Während der Arbeit an einer neuen Komposition kann ich mich ohne Übertreibung als perfekten Sklaven bezeichnen. Ich beginne um neun Uhr morgens und gönne mir bis nach elf Uhr abends keine Ruhepause.“
In mehreren Gesprächen äußerte er sich zu seinem berühmten Prélude in cis-Moll, das ihm kaum Einnahmen einbrachte, weil er es nicht urheberrechtlich schützen ließ. Es werde für ihn immer eine offene Frage bleiben, ob der Erfolg seiner früheren Werke tatsächlich sein Verdienst sei oder damit zusammenhänge, dass alle freien Zugang zu ihnen hätten. Als Rachmaninow nach der Oktoberrevolution 1917 über Skandinavien in die USA ging, sprach er sich dezidiert gegen kosmopolitische Strömungen in der Kultur aus. „Musikalischer Internationalismus? Niemals! Tatsächlich muss es immer verschiedene nationale Stile geben.“
Corina Kolbe


