Werke von Johannes Brahms und Robert Schumann

Sonaten op. 120/Märchenbilder op. 113

Christian Euler (Viola), Paul Rivinius (Klavier)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
erschienen in: das Orchester 11/2025 , Seite 78

In den Zeiten von Streaming, Spotify und KI, in denen mittels Programmierung alles machbar scheint und sich das Produkt immer mehr von Handwerk und realen Konzertbedingungen entfernt – zugunsten einer virtuellen Computerrealität –, ist das Label Dabringhaus und Grimm eine Art Dinosaurier, der erfreulicherweise überlebt hat. Seine CDs belegen bestens die Argumente, die für diese Form der Musikdarbietung sprechen: 1. Die Klangkonzeption des Labels zielt auf ein möglichst natürliches Musizieren, das dem im Konzertsaal entspricht, also keine tontechnischen Tricks am Mischpult. 2. Das Beiheft informiert jeweils fundiert über die Werke und die Ziele der Interpretation, eine wichtige Voraussetzung für ein vertieftes Hören und eine intensive Beschäftigung mit der Musik. 3. Als Interpret:innen werden zumeist Musiker:innen gewonnen, die vielleicht nicht die bekanntesten Stars sind, aber sich besonders intensiv in die aufgeführten Werke vertiefen.
Christian Euler ist schon seit vielen Jahren ein Botschafter der Viola. Dass sie heute nicht mehr geringschätzig gegenüber der Violine und dem Violoncello belächelt wird, ist auch sein Verdienst. Am Klavier wird er von Paul Rivinius begleitet, für den Kammermusik ein zentrales Anliegen ist. Auf der CD erklingen ein originales Werk für Viola und Klavier, die Märchenbilder von Robert Schumann, und die zwei für Klarinette komponierten Sonaten op. 120 von Johannes Brahms. Für diese Sonaten gibt es eine Viola-Bearbeitung, über welche der Komponist nicht besonders glücklich war und die, wie Euler vermutet, auf die damaligen geringeren spieltechnischen Voraussetzungen von Bratschisten Rücksicht nimmt. Deshalb entschied sich Euler, die ursprüngliche Klarinettenstimme zu verwenden. Diese fordert vom Bratschisten eine größere Virtuosität und entspricht sicherlich mehr dem Willen von Johannes Brahms.
Christian Eulers Violaspiel prägen technische Perfektion, ein ausgewogener Klang zwischen den tiefen und hohen Saiten und Klarheit der Artikulation. Die Vorurteile gegen die Bratsche widerlegt er und zeigt, dass man auf ihr virtuos musizieren kann. Sein Partner am Klavier passt sich dieser Konzeption nahtlos an. Für Paul Rivinius geht es in seinem Spiel um die Struktur der Musik, die Deutlichkeit der Klänge fern von romantischem Nebel. So entsteht ein beglückendes Zusammenspiel, das von Schönheit und Makellosigkeit geprägt ist. Bei den Märchenbildern kommt dabei etwas das Romantische, das Schaurige oder Sehnsuchtsvolle, zu kurz, und in der ersten Brahms-Sonate könnte das Allegro appassionato leidenschaftlicher klingen. Aber das mindert nicht den hohen Wert dieser Einspielung, die eine Hörfreude und -bereicherung ist.
Franzpeter Messmer

 

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