Goffredo Petrassi

Concertos for Orchestra Nos. 1–3

Orchestra Sinfonica di Roma, Ltg. Francesco La Vecchia

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Naxos
erschienen in: das Orchester 11/2025 , Seite 75

Erst während der klassischen Moderne zu Anfang des 20. Jahrhunderts entstand, wohl der genuin barocken Sinfonia concertante ent- oder angelehnt, die Form „Konzert für Orchester“. Insofern erscheint es plausibel, dass Goffredo Petrassi (1904–2003), italienischer Komponist am Übergang zur Avantgarde, seine Serie dieses Genres zunächst gemäß à la mode in neoklassischem Stil begann. Die Premiere mit dem Dirigenten Bernardino Molinari war 1935 in Rom. Massive Brass-Fanfaren und Klavier-Konter bereiten im Allegro die Klangkulisse für cineastische Szenen. Stoischer Adagio-Habitus geleitet zu einer postromantischen Episode, die in spitzen Staccato-Signalen per Tempo di marcia zu variativen Swingmustern durch alle instrumentalen Sektionen führt.
Die Integration solch disparater und dennoch konsistenter Elemente, auch aus dem Jazz, hat das zweite Konzert nicht. Vielmehr vibriert es, einen Paradigmenwechsel mit serieller Technik ankündigend, in filigranen Diskant-Kantilenen der Violinen und grellen Flöten-Timbres, dann Allegretto tranquillo in dunklen Pulsationen, durch kontrapunktische Wellen von Bläsern und Streichern und schließlich Presto zum triumphalen Finale. Strukturell verknüpfte Motivketten geben diesem Konzert somit erkennbare Gestalt. Es wurde vom Mäzen Paul Sacher beauftragt und von ihm selbst mit seinem Basler Kammerorchester 1952 uraufgeführt.
Explizit aufs Barockmodell bezogen ist das dritte Konzert, Récréation concertante, das in fünf Sätzen alle Register orchestraler Klangfarben durch eine Staffel modifizierter Motive mobilisiert: Im Allegro sind rotierende Figurationen mit hellen Streichern und knatternden Bläsern ad energico zu hören. Ein dynamisches Niveau auch in folgenden Sequenzen, etwa Molto moderato beim dominanten Streicherpart versus fast schüchternem Oboen-Cantus und insbesondere beim Scherzo vigoroso e ritmico mit intensiver Pauken-Perkussion und groteskem Humor. Danach taucht das turbulente Geschehen in ruhige Kontemplation, ein Zustand, der im Allegro sereno quasi als Rekurs zum Intro revitalisiert und mit einer autoritativen Geste beendet wird. Die Uraufführung fand in Aix-en-Provence 1953 mit dem Südwestfunkorchester Baden-Baden unter der Leitung von Hans Rosbaud statt.
Jedes dieser Werke hat attraktive Attribute, die Francesco La Vecchia mit dem Orchestra Sinfonica di Roma je optimal zur Geltung bringt: fein verwobene Linearität und geschickte Dramaturgie in der Anordnung instrumentaler Sektionen; Soli sind deutlich konturiert, sodass analytische Aufmerksamkeit zum Hörvergnügen wird. Klasse!
Hans-Dieter Grünefeld

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